Im Kojteich
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Busan - Flucht ins Grüne

Veröffentlicht: 22.04.2023

It's getting hot in here 🥵

Ich wache in einem aufgeheizten Zimmer auf. Das Thermometer zeigt 32°C an. Ich schaue auf die Uhr, es ist kurz vor 09:00 Uhr. Für heute sind draußen Dunst und 26°C angesagt. Genauso gut kann ich versuchen das Wetter bei einem Spaziergang zu genießen. 😄

Beim Schreiben dieser Zeilen am Laptop schrecke ich plötzlich hoch. Irgendwo wird laut ein Lied eingespielt. Instrumente setzen ein, eine Frauenstimme beginnt mit "Uuuhuu", gefolgt von einem "Eyy yeaah". Es muss sehr nah sein, es muss aus dieser Wohnung kommen. Die Musik kommt aus einem Lautsprecher aus der Wand. So plötzlich es angefangen hat, so schnell wurde es auch wieder beendet. Spooky. 👻

Nach einer Weile schrecke ich erneut hoch. Die Musik aus meinem Handy wird unterbrochen durch eine koreanische Frauenstimme. Ich greife zum Handy. Dort steht eine Warnmeldung auf Koreanisch. Eine ältere Frau wird gesucht.

Zwischendurch erfahre ich auch, dass ich scheinbar auch irgendwann mal Vater geworden bin. Und dass mein Sprößling alt genug ist, um mir eine SMS zu schreiben. Mit der Rechtschreibung und Grammatik happert es noch ein wenig, aber ich möchte meine Erwartungshaltung nicht auf meinen Nachwuchs projezieren. Und hey, scheinbar geht es nicht um Alimente. 🤣

Ein Ausbruch in die Natur 🌳

Nach diesen Schreckgespensten fahre ich in den Süden. Auf dem Weg fallen mir erneut die Gelbwesten auf. Senioren mit gelben Westen und Mützen, die am Strand Müll aufsammeln oder an Kreuzungen den Verkehr mitregeln. An Kreuzungen mit funktonierenden Ampeln.

Nach der Busfahrt beginne ich den Aufstieg ins Grüne. Dieser Behemoth von Stadt hat sich durch alles flache Grüne gefressen. Entweder du hast hier Stadt, oder bewaldete Berge mit einer Steigung wie im Neandertal. Dazwischen gibt's hier scheinbar nichts.

Ach ja, eines muss ich KakaoMap lassen; die zeichnen auch öffentliche Toiletten ein. 👍
Am Parktplatz sehe ich wieder diese blauen Würfen an den Autotüren. Schon verrückt. Du kaufst dir für zigtausend ein Auto und verschreibst deine Seele für Jahre deiner Bank, aber dann verschandelst du es mit so etwas. 😑

Nach einer Weile im Grünen wird mir noch mal das Ausmaß dieser Stadt vor Augen geführt. Von meinem Aussichtspunkt aus kann ich nicht mal die Hälfte des Küstenteils der Stadt sehen, ich bin zugleich fasziniert und erschrocken. Es erinnert mich an Städteaufbauspiele wie Sim City oder Cities: Skylines. Da habe ich auch immer so etwas hochgezogen, gepflastert durch und durch mit platzsparenden Hochhäusern, fand es fasziniert. In der Realität ist es nicht so sexy.

Meine Gedankenbulldoge reißt sich von der Leine, genießt den Auslauf. Ist das die einzige Art in Zukunft zu wohnen? In Düsseldorf fand ich Großstadtaspekte wie Hektik oder die Luftqualität schon nicht einladend.  Hier wurde der Regler auf 11 hochgedreht.
In Schlafbunkern aufwachsen bis du in einem Job der Mega-Corps landest, die ganze Häuserblocks besitzen. Dann in der Woche unter der  Zinssklaverei dein neuestes Auto abbezahlen um Fremden zu imponieren, dabei zum Feinstaubgott beten und Wochenende beim Wandern in Funktionsklamotten die Natur genießen.
Nur um dann entweder eines Tages den Fast-Food Tod zu sterben oder eine gelbe West erhältst. Ich winke dankend ab, ziehe weiter. 👋

Please, don't leaf! 🍃

Es ergibt sich ein komisches Bild. Bis eben wandere ich durch die naturigste Natur weit und breit mit einer Fichtenduft-Untermalung, und drei Schritte weiter stehen vor mir riesige Hochhäuser. Ich will den Bus zum Skywalk nehmen, also muss ich wohl oder übel wieder zurück in die Stadt. Ich durchschreite eine unscheinbare Metaltür, die umgeben von Müll ist, und auf einmal hat mich die Stadt wieder. Als hätte jemand einen Lichtschalter für Umgebungen umgelegt. Ich bleibe auf dem Wendehammer stehen, meinen Blick lasse ich über die Stadt schweifen. Ich drehe mich noch mal zurück zum Waldzugang, fast schon ein wenig sehnsüchtig. Es hat ein wenig von einer Geburt; du verlässt das wohltuende, bekannte, natürliche und beschützende und wirst ausgespuckt in diese dreckige Welt. "Hier, mach mal, viel Erfolg dabei." Ein älterer Mann, der eben hinter mir war, zeigt mir mit einer wortlosen Geste den Weg, der mich weiter in die Stadt führt. Den Weg kenne ich bereits, aber etwas streubt sich den Weg mir den weiterzugeben. Am liebsten würde ich umdrehen, aber ich muss weiterziehen. Ein gewisser Wehmut erfasst mich. Bis zum nächsten Mal. 😞

Die Stadt der Lichter 🎆

Anfangs überraschend, bis ich mich dran gewöhnt hatte: Wenn die Polizei herumfährt, dann ist ständig das Blau-Rot-Licht an. Das heißt aber nicht, dass die schnell durch müssen. Es zeigt einfach nur: "Blink Blink, that's the light of the police!"🚨. Einfach nur Präsenz.

Ich beobachte die Leute auf den Gehwegen. Der Koreaner an sich hat scheinbar eine andere Wahrnehmung für Hitze. Sonnenschein, 26°C, beim Aufstieg in der Natur habe ich selbst in Zimtlatschen, kurzer Hose und T-Shirt geschwitzt. Die meisten Leute hier laufen mit zwei Schichten herum, wenn nicht sogar mit einer T-Shirt-Pulli-Jacke-Kombi. Die einzigen Menschen in ähnlicher Kleidung  sind die größte Westler-Gruppe - Russen. Soviel Russisch habe ich selbst zu Hause nicht gehört.

Ich mache mich an die Arbeit. Zwischendurch bekomme ich Lust kurz drüber zum Starbucks zu gehen und mir ein Matcha zu holen. Auf dem Weg dorthin fällt mir auf, dass ich innerhalb von 100 Metern an drei Selfie Studios vorbeikomme. Kleine Läden mit Photo-Booths und Accessoires. Ich werde innerhalb der nächsten fünf Minuten noch drei weiter sehen. Willkommen in Ego-City, Selbstdarstellungs-Lane. 😏🤳

Es ist Donnerstag, es steht also mein Telefonat mit Thomas an. Der Austausch in die Heimat tut wieder mal gut. ich freue mich für ihn über seine guten Erlebnisse der letzten Tage, es ist ansteckend. Er spiegelt mir widerum, das ich viel mehr mit mir selbst im Kontakt sei. Auch nach vier Wochen gilt: Rituale finden und pflegen ist eine der obersten Premissen.

Während des Telefonats gehe ich auf dem Strand rauf und runter, fühle mich dabei wie in den alten Pokémon-Spielen. Ich versuche nicht in die Kamerakegel der Pärchen zu gelangen, mache große Bögen um die singenden Jugendlichen, die ihre kleinen Bühnen aufgebaut haben, um als nächstes K-Pop Sternchen entdeckt zu werden. Dabei beobachte ich ein Paar, welches Raketen in die Luft schießt. Ein ganz normales Phänomen hier, selbst bis in die Nacht um 03:00.

Auf dem Rückweg finde ich plötzlich eine Baustelle vor, keine 50 Meter von meinem Eingang entfernt. Vor einer halben Stunde war hier gar nichts, nun sind hier ein Dutzend Bauarbeiter an einem Donnerstag um 21:45 und haben den gesamtem Bürgersteig aufgerissen. Zwölf Stunden später wird es hier so aussehen, als sei nie etwas gewesen.

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