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Uruguay

Veröffentlicht: 27.04.2024

Besteigt man die Fähre in Buenos Aires in Richtung Uruguay, so kann man in ca. 4 Stunden bis Montevideo gondeln oder man entscheidet sich für einen Zwischenstop in Colonia del Sacramento, der ältesten Stadt Uruguays, deren Altstadt von der UNESCO 1995 vollumfänglich zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Also rauf auf den Kutter und volle Fahrt durch den Mündungstrichter der beiden Ströme Paraná und Uruguay – im Allgemeinen als Rio de la Plata (Silberfluss) bekannt. Durch den Rio de la Plata verläuft die Staatsgrenze zwischen Argentinien und Uruguay und auch optisch durchläuft man hier auf der rund anderthalbstündigen Fahrt einen klaren Cutt – kurz nach der Ausfahrt aus dem Fährhafen von Buenos Aires verfärbt sich das Wasser in eine dunkelbraue und brackige Brühe – getrübt durch den hohen Eintrag von lehmigen Schlamm.

Gasse in Colonia

Angekommen auf dem Staatsgebiet Uruguay nimmt man sofort die idyllische Ruhe der Kleinstadt Colonia wahr – ein sehr angenehmer Kontrast zum quirligen Buenos Aires. Negativ fallen hingegen die tausenden Moskitos auf, die anscheinend auch eher die Provinz bevorzugen und jeden noch so kleinen nicht mit Mückenschutz eingesprühten Quadratzentimeter Haut sofort in Scharen befallen. Ehrlich, so eine Masse an penetranten Blutsaugern ist mit bislang noch nicht unter die Augen gekommen. Nervt zwar, lässt sich aber mit entsprechenden Schutzmaßnahmen einigermaßen ertragen. Die Unterkunft im kolonialen Stil, ganz am Rande der Altstadt ist auch schnell erreicht und echt schnieke und so kann man sich direkt auf Entdeckungstour begeben. Die Altstadt von Colonia mit ihren alten Häuschen und den Kopfsteinpflasterstraßen und -gässchen weiß zu gefallen und man hat direkt ein wenig das Gefühl in einer anderen Zeit angekommen zu sein. Zwischen alten Befestigungsanlagen, verwachsenen Hauseingängen und allerlei Relikten aus vergangen Zeiten kann man wunderbar die Zeit vertrödeln, durch die Gassen spazieren und sich in seinen Gedanken verlieren, wie denn das Leben hier so vor 350 Jahren ausgesehen hat. Ein halber Tag reicht dafür allerdings auch aus, denn die Größe der Altstadt ist recht überschaubar und nicht so überladen. Auch der touristische Zustrom hält sich Allgemein in Grenzen und man kann nach ausgiebiger Spaziererei ganz entspannt ein viel zu teures Bier in einer der zahlreichen und liebevoll gestalteten Bars genießen. Das fällt direkt nach Ankunft in Uruguay auf – der enorme Preisunterschied zum Nachbarland. Teuer ist geschmeichelt, im Preisniveau bei Waren des täglichen Bedarfs irgendwo zwischen der Schweiz und Norwegen angesiedelt bekommt man beim Blick auf die Preisschilder Tränen in den Augen – ein großes Bier für 9 Euro, sowas hatte ich nur bedingt in Südamerika erwartet. Gründe für die hohen Preise sind unter Anderem der recht starke einheimische Peso und die große Abhängigkeit vom Import. Verbraucher haben praktisch keine Möglichkeit, sich preiswerte ausländische Konsumgüter zu beschaffen. Allerdings sind die genauen Ursachen für die Preispolitik recht komplex und wen dies interessiert, der kann sich gern einen Überblick in den Tiefen des Internet verschaffen – es gibt zahlreiche interessante Artikel zu der Thematik.

Fassade in Colonia

Nach einer Übernachtung in Colonia machten wir uns am nächsten Tag auf mit dem Bus in Richtung der Hauptstadt Montevideo. Ungefähr 2 Stunden dauert die Fahrt an der Küste entlang und die Landschaft ist geprägt von Agrarflächen und ländlichem Raum. Allerlei altertümliche Gefährte kreuzen unseren Weg und man hat auch hier wieder das Gefühl, dass irgendwie die Zeit stehen geblieben ist.

Recht entspannt und ausgeruht erreicht man so Montevideo, bezieht die wiederum sehr schöne und rustikale Unterkunft und begibt sich auf Entdeckungstour durch die Metropole mit ihren 1,3 Millionen Einwohnern. Es ist Osterwochenende und jeder der es sich leisten kann, hat die Stadt verlassen. Verwandtschaftstreffen in großer Runde auf dem Lande oder irgendwo am Meer haben Tradition zu dieser Zeit in Uruguay. Die Stadt wirkt wie ausgestorben und viele Geschäfte haben geschlossen. Ein sonderbarer Flair liegt über den Straßen. Man fragt sich, wie es wohl während des Alltags und unter der Woche hier sei. Irgendwie passt das nicht so recht zusammen, eine Hauptstadt fast ohne Menschen. Allgemein ist das Erscheinungsbild von Montevideo recht schwer einzuordnen. Es gibt viele alte Gebäude und man ertappt sich oft beim Staunen über verzierte Fassaden oder völlig überdimensionierte Hauseingänge. Allerdings stehen auch recht Viele dieser Prachtbauten leer, verfallen so langsam oder gammeln vor sich hin. Es wirkt allgemein ein bisschen so als sei der Glanz alter Zeiten ein bisschen ab. Wie eine alte Lady zeigt sich Montevideo ganz stolz und voller Pracht, in dem Wissen, dass die glorreichen Zeiten wohl vorbei sind und dennoch recht schön anzuschauen. Gefällt mir irgendwie – Patina wohin das Auge reicht und dazwischen immer wiederkehrend irgendwelche Bausünden im Stil des Socialist-Modernism. Man weiß manchmal beim Schweifen lassen der Blicke nicht genau, ob man sich gerade in Belgrad oder aber in Kuba befindet. Aber recht schnell wird einem klar, dass es wohl dieser Mix ist, der Montevideo doch so sonderbar und doch seltsam schön erscheinen lässt. Man kann sich einfach nicht daran gewöhnen aber auch nicht satt sehen an dem Charme vergangener Zeiten. Es passt regelrecht dazu, dass die Stadt wie ausgestorben wirkt und irgendwie hat man das Gefühl, dass gleich irgendwer kommt und die Kulissen abbaut zwischen denen man sich gerade bewegt. Passend dazu auch der alte Hauptbahnhof von Montevideo, die Estación Central General Artigas, ein 130-Jahre alter Prachtbau mitten im Zentrum der Stadt. Nach zahlreichen Eigentümerwechseln und Rechtsstreitigkeiten um die Jahrtausendwende stillgelegt, geschlossen und seinem Schicksal überlassen. So rottet das wunderschöne Gebäude seinem Schicksal überlassen vor sich hin und von hier aus wird wohl nie wieder ein Gefährt auf Gleisen die Stadt, geschweige denn den Bahnhof verlassen – Schade.

Palacio Salvo

Ein Wahrzeichen der Stadt steht direkt am 1836 angelegten Plaza Independencia. Zwischen zahlreichen historischen Bauwerken und dem alten Stadttor befindet sich der Palacio Salvo, mit seiner Höhe von 105 m war es bis ins Jahr 1935 das höchste Bauwerk Südamerikas. Im Stil des Art decó ist das Gebäude wirklich wunderschön anzuschauen allerdings erspäht man beim aufmerksamen Betrachten auch den einen oder anderen Makel und substanzerhaltende Fassadenarbeiten sind wohl in der nächsten Zeit dringend notwendig.

Edificio Ciudadela

Was gibt es sonst noch zu sehen? Ein paar Stadtstrände, welche auch zum Flanieren einladen. Wirkt ein bisschen wie Copacapana in Miniaturausgabe – ohne den Trubel und ohne die ganzen verrückten Typen. Am Strand lagen in der Brandung allerlei toter Fische herum – sonderbar. Leider wusste auch keiner der Einheimischen die Ursache für das Fischsterben.

Pocitos Beach

Außerdem befindet sich in Montevideo das Estadio Centenario, größtes Fußballstadion des Landes und ein historischer Fußballtempel. Hier fand das Finale der ersten Weltmeisterschaft 1930 zwischen dem Gastgeberland und Argentinien statt. 93.000 Zuschauer wurden Zeuge, wie mit Uruguay hier der erste Fußballweltmeister gekrönt wurde. Das Stadion wurde auf Grund seiner Historie von der FIFA 1983 zum bis heute einzigen Weltfußballmonument erklärt.

Der eigentliche Plan, ein Spiel in diesem Tempel zu schauen wurde leider einen Spieltag vor Anreise zunichte gemacht, da es ein Zuschauer für eine gute Idee hielt in einem Ligaspiel dem leitendem Schiedsrichter einen Stein an den Kopf zu schmeißen. Die Schiedsrichter gingen daraufhin in Streik und der komplette Spielplan wurde vorübergehend auf Eis gelegt.

Fußball wurde dennoch geschaut und zwar kein geringeres Spiel als der Superclasico del futbol uruguayo, das Aufeinandertreffen der beiden mit Abstand bekanntesten und erfolgreichsten Vereine des Landes – beide beheimatet in Montevideo: Penarol gegen Nacional.

Superclasico Uruguayo

Nach langen Verhandlungen zwischen Schiedsrichtergewerkschaften und Verband und daraus resultierenden Sicherheitszusagen für die Unparteiischen entschied man sich, dieses Spiel trotz der Ereignisse recht kurzfristig wieder anzusetzen, wohlwissend welche Bedeutung diese Begegnung auch für die Bevölkerung und den Fußball im Allgemeinen in Uruguay hat.

Weshalb man den 2016 eröffneten Neubau (den man allerdings kaum von den alten Schüsseln hier auf dem Kontinent unterscheiden kann) allerdings 25 km außerhalb der Stadt hingesetzt hat, obwohl dies bei nur einer Straßenanbindung zurück ins Zentrum zu enormen Problemen bei An- und Abreise führt, bleibt wohl ein Geheimnis. Nichtsdestotrotz machten wir uns mit 40.000 fußballverrückten Einheimischen auf den Weg zur Schüssel. Der Clasico findet auf Grund von Ereignissen in der Vergangenheit im Ligabetrieb prinzipiell ohne Gäste statt. Das allerdings tut der Stimmung keinen Abbruch und bereits ein gutes Stück vor Anpfiff ist die Hütte prall gefüllt und die Anhänger von Penarol geben lautstark ihre Gesangeskünste zum Besten. Mit Anstoß ein riesiges Spektakel für Augen und Ohren: Rauch, Raketen, Böller und riesige Blockfahnen über den Tribünen – das alles in schwarz und gelb, den Vereinsfarben von Penarol. Gefällt mir gut die Farbkombination und auch die lautstarken Anhänger hinterlassen einen starken Eindruck. Mit fortdauernder Spieldauer lässt die Stimmung allerdings analog zum Spielverlauf (das Spiel endet 0:0) leider etwas nach und man beschränkt sich auf das lautstarke Beschimpfen der Schiedsrichter. Wegen fortdauernder Wurfgeschosse auf die gegnerischen Spieler und Schiedsrichter wird das Spiel mehrfach unterbrochen. Zeitweise gesellen sich mehrere schwerbewaffnete und mit Schildern ausgestattete Cops zu den Linienrichtern.

Ein letztes metallisches Wurfgeschoss, nach meiner Wahrnehmung wohl ein Flachmann sorgt kurz vor Schluss noch für Aufregung, mehr passiert allerdings auch nicht. Ganz normale südamerikanische Verhältnisse bei einem Fußballspiel dieser Dimension hier, so scheint es.

Da sich meine beiden Mitreisenden in einen fremden Block verirrten und es für eine gute Idee hielten, sich nach Abpfiff umgehend in einen der überfüllten Busse zu stopfen und zurück in die Stadt zu fahren,gestaltete sich die Abreise für mich etwas umständlich. Als ich nach längerer Wartezeit am Stadion den Fehler bemerkte und auch nur noch vereinzelte Busse in die Stadt fuhren, versuchte ich mich – ohne Bargeld und mobilem Internet, noch irgendwie in die Stadt gondeln zu lassen. Leider wurde jetzt wieder kontrolliert und ohne Ticket kein Zutritt zum Bus. Leider war die Zahlung nur in Bar möglich und somit für mich nicht realisierbar. Nach langer Diskussion wurde ich weggeschickt und erwog die Option des Trampens zurück in die Stadt. Einer der potentiellen Fahrgäste hatte allerdings wohl Mitleid mit dem davontrabenden Alman und spendierte mir die umgerechnet 1,50 Dollar für die Fahrkarte – Dankeschön.

Nach ein paar Tagen hieß es dann auch Abschied nehmen. Hier gibt es wohl noch eine ganze Menge zu entdecken – für einen längeren Aufenthalt war es mir dann aber auch einfach viel zu teuer. Ciao Uruguay.

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