Don Curry on Tour 4
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Don Curry schläft in einer Kneipe

Veröffentlicht: 16.07.2023

Don Curry erahnte an diesem Morgen, wieviel Glück er in den letzten Tagen mit dem Wetter hatte. Denn das schönste Panoramafenster nützt wenig, wenn sich der zu bewundernde Berg in Wolken hüllt, wie heute. Don Curry hatte sich aber bereits sattgesehen an seiner Erhabenheit und gönnte dem Kazbegi  seine Pause.

Dafür wollte er mal testen, ob sein Lieblingsrestaurant in Stepanzminda auch beim Frühstück überzeugen kann. Auf seiner langen Fahrtroute würde es heute keine Möglichkeit für ein Mittagessen geben, selbst für ein Abendessen bestand keine Garantie, daher wollte er zumindest eine Mahlzeit am Tag sichern. Sein Chacha-Kellner hatte morgens noch keinen Dienst, diese Aufgabe musste jetzt der Barmann übernehmen, der Don Curry sofort die Speisekarte brachte - allerdings die Abendkarte. Vielleicht war er noch nicht ganz ausgeschlafen, aber bemerkte schnell selbst sein Versehen. Die Frühstückskarte war noch viel kürzer: sie bot insgesamt 5 Optionen. Da sich aber unter diesen Optionen alle 3 Lieblingsfrühstücksgerichte Don Currys befanden, war der mehr als glücklich: Egg's Benedict, French Toast und Shakshuka. Es würde also ein total ungeorgisches Frühstück geben; Don Curry entschied sich für Shakshuka, also pochierte Eier in würzigem Tomaten-Paprika-Ragout mit Fladenbrot. Als er noch Kaffee und einen Saft zum Frühstück bestellen wollte, lautete die überraschende Antwort: das haben wir beides nicht; Don Curry könne Tee und eine Limonade bekommen. Ok, dachte Don Curry, in Sachen kundenorientierter Service gibt es nach wie vor Nachholbedarf, dafür überzeugte ihn auch am Morgen die Leistung der Küche: eine exzellente Shashuka mit einem frischgebackenen, knusprigen Lavash, dazu ein vollmundiger Tee, in einer edlen Glaskanne serviert.

So gestärkt konnte sich Don Curry getrost auf den Weg machen. Eigentlich wollte er heute noch einmal zur Dreifaltigkeitskirche hinauffahren, um dem Gipfel des Kazbegis erheblich näher zu kommen, doch da der Berg sich immer mehr in Wolken hüllte, sparte sich Don Curry den Aufwand. Auch die eigentlich nachzuholende Fahrt ins Truso-Tal strich er vom Programm, weil er spontan eine andere spannende Möglichkeit entdeckte. Direkt am Beginn des Tals befördert eine Kabinenseilbahn winters wie sommers Gäste hinauf in die Berge: im Winter zum Skifahren, im Sommer zum Fotografieren und Wandern. So ließ sich Don Curry in fast gläsernen Kabinen sanft schaukelnd bis in 2946 m hoch zum Kobi-Pass transportieren. Leider zeigten sich hier bereits die aufziehenden Wolken, so dass der Blick ins Tal zu beiden Seiten gut möglich war, von den umgebenden Bergriesen aber nur kleine Ausschnitte zwischen den Wolken hervorlugten.

Nun stand nur noch ein Programmpunkt an: die Fahrt nach Chewsuretien, einem weiteren schwer zugänglichen Kaukasusgebiet Georgiens, in dem ebenfalls ein besonderes Volk lebt, die Chewsureten, die noch bis zum Beginn des 20. Jhdts. bei Konflikten mittelalterliche Kettenhemden trugen. Ungefähr die Hälfte der Anfahrt lässt sich problemlos auf frisch asphaltierten Straßen bewältigen, sobald es aber in die Berge geht, musste sich Xerra noch einmal als Pistenkönigin beweisen. Allerdings stellt diese Strecke längst nicht die hohen Anforderungen eines Abano-Passes. Der hier zu bewältigende Bären-Kreuz-Pass liegt 2767 m hoch und erfordert nicht gar so viele Serpentinen; außerdem ist die Fahrspur insgesamt breiter und an den meisten Stellen sogar mit Leitpfosten etwas abgesichert. Erschwerend kam heute allerdings das sich verschlechternde Wetter hinzu. Kurz nach Bezwingen des Passes setzte Regen ein, der Don Curry bis zum Ziel begleiten sollte.

Eigentlich hatte er bis zum Ende der Straße bei Mutso durchfahren wollen, doch da es bereits beim Erreichen Shatilis nach 18:00 Uhr war und der Regen nicht abnahm, verschob Don Curry die einstündige Fahrt auf morgen. In Shatili hatte sich Don Curry ein Zimmer in Jurkha's Tower-Museum gebucht, doch wie sollte er das finden. Es gab weder Straßennamen noch Hausnummern. Er ging ein paar Schritte durch das Dorf und sah bald, dass die Hauptstraße in der Mitte für den Durchgangsverkehr blockiert war. Hinweisschilder fand er keine. Also rief er die Kontaktnummer des Vermieters an. Eine junge Frauenstimme erklärte ihm in gutem Englisch, dass er bis zum Ende des modernen Dorfes fahren müsse, dort stünden die "Castles": Also kehrte Don Curry zu Xerra zurück und entdeckte, dass bereits zwei Hühner das Auto als willkommenen Regenschutz entdeckt und es sich darunter gemütlich gemacht hatten. Diese musste Don Curry nun leider enttäuschen, als er auf einer Umgehungspiste an Shatili vorbei zum Gebiet des ursprünglichen Dorfes fuhr. Ähnlich wie in Tuschetien und Swanetien baute auch die hiesige Bevölkerung festungsartige Gebäude, um sich bei Angriffen besser verteidigen und schützen zu können. Allerdings bauten die Chewsureten mehr in die Breite als in die Höhe; ihre Bauten verfügen aber genauso wie bei den anderen Völkern über extrem niedrige Eingänge und wenige Fenster.

In einem der Gebäude hatte sich das Café Firefly angesiedelt, so etwas wie der Szenetreff der Touristen in Shatili. Don Curry betrat den urig eingerichteten Gastraum und fragte, wo Jurkha's Tower zu finden sei. Der Wirt, eine Art Spät-Hippie, erklärte ihm, dass der direkt nebenan liege, er werde den Vermieter informieren. Dann holte er für Don Curry einen Stuhl herbei, weil sämtliche Sitzmöglichkeiten bereits besetzt waren. Don Curry bekam zufällig mit, dass einige Touristen wegen eines Abendessens beim Wirt anfragten. Der bedauerte, weil die Köchin aufgrund des Regens frühzeitig aus Chewsuretien abgereist sei - gleich zwei Informationen, die Don Curry gar nicht behagten. Einige Minuten später kam eine Frau mit Kopftuch herein, die der Wirt als die Vermieterin vorstellte. Sie zeigte Don Curry den 1 m hohen Zugang zum Gebäude und darin sein Zimmer, das offensichtlich direkt an das benachbarte Café grenzte. Über einen weiteren 1 m -Durchgang gelangte man in eine Art Wohnzimmer mit uralten Möbelstücken und Gebrauchsgegenständen, also das "Museum", und dahinter führte ein weiterer Zwergendurchgang auf einen hölzernen Balkon, unter dem eine 50 m tiefe Felsschlucht lag. Die Toilette lag im Keller. Energisch wies die Frau noch auf zwei andere Türen hin, doch da sie nur georgisch und russisch (und vielleicht chewsuretisch) sprach, konnte Don Curry nicht verstehen, was sie meinte. Da auch er noch Fragen hatte, rief die Frau schließlich ihre Tochter an, mit der Don Curry vorhin schon kommuniziert hatte. Die Tochter erklärte, dass die anderen beiden Zimmer diese Nacht auch belegt seien und dass er gleich oder morgen zu seiner gewünschten Zeit bezahlen könne. Don Curry wollte gleich zahlen und fragte nach einem vegetarischen Abendessen. Die junge Frau sagte, sie wolle ihre Mutter fragen. Also reichte Don Curry das Telefon zurück. Die Mutter nahm zunächst das Geld entgegen und schleppte dann Don Curry zurück ins Café Firefly. Dort fragte sie den den Wirt wegen des Abendessens. Eigentlich wusste Don Curry, dass diese Frage vergeblich sei, doch beim Stichwort "vegetarisch" kamen dem Wirt Ideen. Er werde selbst etwas zubereiten, versprach er. Die Mutter mit Kopftuch verabschiedete sich zufrieden und Don Curry strich noch etwas fotografierend durch das verregnete Alt-Shatili, musste aber sehr aufpassen, auf den unebenen Steinen überall nicht wegzugleiten.

Zu seiner gewünschten Zeit fand Don Curry einen freien, aus Bauhölzern selbst zusammengezimmerten Tisch an ebensolchen Bänken. Direkt an der Theke saß ein Schweizer Ehepaar, dass ebenfalls mit einem Abendessen beglückt wurde, genauso vegetarisch wie Don Currys. Zunächst wurde ihm ein sehr großer Teller Tomatensalat serviert, dazu frisch geröstetes Weißbrot und dann eine Mischung aus geraspelten Kartoffeln mit sehr viel Käse und Lauch, zusammen in der Pfanne gebraten. Die Schweizer nannten das sofort "Röschti", doch der Wirt bestand darauf, dass es ein altes georgisches Rezept sei. In jedem Fall war alles richtig lecker; zu seinem Salat bekam Don Curry sogar das berühmte swanische Gewürzsalz. Dazu trank er eine Kazbegi-Bier und zum Anschluss einen Chacha. Der Wirt fragte ihn, wo er herkommen würde, er sähe aus wie ein echter Georgier.  Don Curry nahm das mal als Kompliment.

Einer der Gäste wurde dann gebeten, ein kleines Konzert zu geben. Es stellte sich heraus, dass er ein Gitarrenlehrer aus Südkorea war, der seine Gitarre selbst gebaut hatte und nun mit ihr um die Welt zog. Kunstvoll spielte er einige Renaissance-Werke für Gitarre, darunter natürlich auch das berühmte "Greensleaves" Welch irrationale Situation, wenn ein Koreaner in einem Chewsuretischen Dorf ganz am Rande Georgiens ein englisches Volkslied vor überwiegend russischen Zuhörern zum Besten gibt! Don Curry genoss diese künstlerische Kulmination von Globalisierung; in diesem Moment spielten Politik, Macht und Grenzziehungen keine Rolle.

Satt und zufrieden zog er sich in sein Zimmer zurück, um sofort festzustellen, dass zwischen dem Zimmer und dem Café nur ein paar Bretter von 0,5 cm Dicke lagen; selbst das einzige Fenster seines Zimmers ging direkt in den Gastraum - von dort fiel ständig Licht herein. Na, allzu lange wird das wohl nicht mehr dauern, dachte Don Curry. Tatsächlich hörte er bald, wie die Schweizer gingen, und eine halbe Stunde später auch die beiden russischen Paare, die die anderen Zimmer in Jurkhas Tower belegt hatten. Doch plötzlich stürmte eine große Gruppe junger Georgier das Café und hatten Lust zum Feiern. Sie riefen nach Chacha und bald klirrten die Gläser, während der Wirt georgische Popmusik auflegte. Nach kurzer Zeit wünschten sich die Gäste besonders fröhliche Popsongs, die sie aus vollem Halse und mit meist guten Stimmen mitsangen. Don Curry bekam hier also noch ein zweites unerwartetes Konzert, wenn auch deutlich lauter. Immer wieder stießen Gläser klirrend aneinander, der nächste Chacha wurde bestellt. Gegen 1:30 Uhr sprach der Wirt wohl ein Machtwort und Musik und Gesang verklangen; doch die jungen Leute hatten einander noch viel zu erzählen und zu lachen. Kurz nach 3:00 Uhr brachen sie schließlich auf. Endlich, seufzte Don Curry, und hoffte, nun endlich Schlaf finden zu können. Doch nun begann der Wirt, seine Café-Bar-Kneipe aufzuräumen. Er schien das bewusst ruhig und leise machen zu wollen, dennoch hörte Don Curry jedes noch so kleine Geräusch. Die Gläser wurden wollen direkt an der Wand abgestellt, die an Don Currys Bett grenzte. Jedes von ihnen schien unmittelbar neben seinen Ohren zu klirren. Dann wurde gefegt, einige Möbel verschoben, ein Putzlappen ausgespült. Don Curry hätte diesem Wirt gar nicht so viel Ordnungssinn zugetraut. Erst nach 4:00 Uhr war das Werk vollbracht, und Don Curry konnte endlich entschlummern.

Schon einmal hatte er in einem Wehrturm geschlafen, damals in Tuschetien, und die absolute Stille der Nacht genossen, bis morgens zaghaft die ersten Vögel zu zwitschern begannen. Hier in Shatili schlief er nicht in einem Wehrturm, sondern in einer extrem lauten Musikkneipe, wenn auch nur sehr kurz...


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