Mit Geschichte(n) um die Welt
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Vom Losgehen und Ankommen. Oder: Mein Weg nach Sydney

Veröffentlicht: 12.10.2023

Der folgende Text ist lang.

Der Großteil des folgenden Textes ist geschrieben vor einem schon wieder neuen Krieg, Terror und Gewalt. Nicht nur, dass ich in einem Themenfeld arbeite, dass auch eng mit Israel verbunden ist, mein Arbeitsplatz ist nun im jüdischen Museum in Sydney. Alle hier haben Freund:innen und Familie vor Ort. Der Schock, die Trauer, Angst und Wut sitzen tief. Die Atmosphäre ist mehr als angespannt.

Ich selbst denke und muss viel an den Beginn der russischen Vollinvasion in der Ukraine im Februar 2022 denken; denke an die Menschen, die ich dort und in Israel kenne: Bekannte, KZ-Überlebende, die ich kennenlernen konnte, deren Familien; an Kolleg:innen.

Ich hatte zudem immer viel Glück im Leben wie mir noch stärker auffällt also sonst: ich bin noch nie zu (m)einem Arbeitsplatz gegangen bei dem es security gibt, geben muss; Sicherheitsmaßnahme, Schleusen beim Rein- und Rausgehen – dies gab es in jüdischen Einrichtungen auch vor letztem Samstag; jetzt ist es aber noch einmal verstärkt. Ich frage mich, ob man sich, ich mich, tatsächlich daran gewöhnt, gewöhnen kann – und es macht mich traurig, dass dies für jüdische Menschen zu einer (Ab-)Normalität gehört, dazugehören muss. Die Atmosphäre ist angespannt, bedrückt und somit habe ich den folgenden Text erst einmal nicht gepostet. Ich fand es unpassend, einen solchen Text, in einer solchen Situation zu teilen - und ob es jetzt ok ist, weiß ich immer noch nicht so recht. Es gibt Wichtigeres, eindeutig. Das jüdische Museum in Sydney hat sich klar als Aufgabe gesetzt gerade in dieser Situation weiterzumachen. Es gehe darum nicht zu hassen, den Wert des Lebens und Friedens zu schätzen und in diesem Sinne die Arbeit und die Stimmen der Überlebenden weiterzutragen.

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Es könnte zudem sein, dass es demnächst hier auf dem Blog etwas ruhiger wird – und es in den letzten zwei Wochen auch bereits wurde. Ich fühle mich ein bisschen wie nach einer langen Wanderung, wenn es zwar neue Ideen und Pläne gibt, die Füße aber rufen: „Puh! Pause!“.


Surreal.

Das ist die treffende Bezeichnung.

Ich bin überwältigt.

Und jet-lagged.

Habe das Gefühl, etwas neben mir zu stehen. Mein Körper ist zwar hier, doch realisiert habe ich das Ganze noch nicht. Ich sitze im Jüdischen Museum in Sydney - oder besser komme gerade aus der Kaffee-Lounge, habe mittlerweile einen zweiten Flat White - wohl der Lieblingskaffee Down Under. Er wurde auch hier in Australien erfunden – oder in Neuseeland, ein Streitthema.

Dieser Beitrag geht aber nicht (weiter) über Kaffee.

Sondern darüber, dass ich das Gefühl habe, hier etwas Großes für mich geschafft zu haben.

Das hört sich seltsam an - und ist es auch. Ich bin erst gestern angekommen.

Ich bin k.o., spüre die letzten Monate, vielleicht sogar Jahre und vor allem den langen Flug; stehe etwas neben mir. 

Doch das liegt nicht nur am Jetlag, denke ich. 

Das hier ist auch surreal.

Nachdem ich in den Kreis des hiesigen Museums aufgenommen wurde, einen Arbeitsplatz bezogen, eine Schlüsselkarte sowie eine Emailadresse bekommen habe, denke ich nicht nur einmal: „Alter, Sarah! DAS ist unglaublich!” oder alternativ und Wortlaut meiner Gedanken: „Krasser Scheiß?! Passiert das hier alles gerade wirklich?” und manchmal hatte ich in den letzten Stunden auch ein “Du hast es echt geschafft! Wie unglaublich abgefahren!”

In Australien - A-U-S-T-R-A-L-I-E-N! - in Sydney, werde sogar dafür bezahlt, darf das machen, was mir wichtig ist und mir Spaß macht. Lesen, Schreiben, Recherchieren, Leute treffen, beim Übersetzen helfen. Meine Arbeit vorantreiben. Einem Museum mit Vision beim Um- und Ausbau über die Schulter gucken, darf davon irgendwie auch ein Teil sein. „Einfach mal in Sydney!” - Ich muss irgendwie auch lachen. 

Ein Traum, absolut! 

Und dann aber auch: es fühlt sich surreal an, ist aber tatsächlich wahr.

Ich weiß (ohne jeden Zweifel), dass ich dabei mehr als privilegiert bin - sowas von! Es lässt mich selbst immer wieder aufschrecken, gibt mir auch ein großes Unbehagen. Und es führt dazu, dass ich denke, ich sollte, möchte noch mehr tun. Für all das, was mir hier ermöglicht wird und was mir bereits ermöglicht wurde. Damit halte ich nicht hinterm Berg.

Von Visafragen

Die australischen Grenz- und Einwanderungsbestimmungen sind strikt, schließt sehr viele aus. Menschen sollen abgeschreckt werden, vor allem aus bestimmten Ländern. (Vgl. z.B. ein Artikel aus der Zeit oder zum Hören, wenn auch schon etwas älter, vom dlf.)

Mein Visum habe ich in Windeseile bekommen.

Es dauerte keine zwei Wochen und ich bekam ein Visum für ein Jahr. Ein Jahr! - mit mehrfacher Einreise. Die volle Freiheit, einfach mal so. Es gab bei der Einreise nicht einmal eine einzige Nachfrage, was ich denn hier zu tun gedenke, hier wolle, woher mein Geld komme oder ob ich nicht doch versuchen würde, illegal zu bleiben. Die etwas gelangweilte Grenzbeamtin bei der Einreise, etwa in meinem Alter, schaute mich an, schaute auf den Pass, verglich das Foto mit der vor ihr stehenden Person. Ein Lächeln. Das war’s.

Kanada hat zwar den Ruf „einwanderungsfreundlich” zu sein, aber selbst dort hatte ich zumindest die Fragen bei der Einreise, wo ich bleiben würde, wie ich es finanziere und welche Unterkünfte ich auf dem Weg hätte. Die wichtigste Frage war, wann ich denn wieder ausreisen würde. Zumindest ein paar Minuten hatte ich das Gefühl, zwei unterschiedliche Grenzbeamte in Toronto begutachten mich sehr genau. Danach musste ich auch noch meinen Rucksack auspacken. Eine dritte Person überprüfte erneut, ob das stimmte, was ich da angegeben hatte.

Für die Einreise in Australien hatte ich mich also vorbereitet. Meine ganzen Unterlagen lagen parat im Rucksack bzw. griffbereit auf dem Handy: Krankenversicherung, Ersparnisse, Einkommen, Impfausweis, meine Adresse in Sydney, Einladungsschreiben.

Gestern am Flughafen: nichts von alledem war erforderlich. 

Es wollte niemand sehen. 

Ich wurde noch nicht einmal danach gefragt. 

Und das obwohl ich - ehrlich wie ich bin - angegeben hatte, dass ich in den letzten 30 Tagen in der kanadischen Wildnis wandern war. Australien ebenso wie Neuseeland achten sehr darauf, was (und wer) ins Land kommen darf. Bei allem, was Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt haben könnte, sind sie besonders strikt.

Eigentlich.

Die einzige Frage war, ob ich ein Zelt dabei hätte, das ich beim Wandern genutzt habe. “Nein, kein Zelt.” Das auf dem West Coast Trail war geliehen.

- “Ok.”

Eine einladende Handgeste.

Durchgewunken.

Das war’s.

Pass, Hautfarbe, Herkunft, Einladungsschreiben? Das hinterlässt nicht nur ein gutes Gefühl.

Von Ideen und Unterstützung

Ohne die richtigen Menschen zur richtigen Zeit wäre ich nicht hier und der Weg war nicht nur so eben, wie er - und auch mir - in einem schön geschriebenen Text erscheint. Der Weg war lang - in mehrfacher Hinsicht.

Doch noch viel richtiger ist, dass ohne Unterstützung anderer das nicht möglich gewesen wäre. Leute, die einen unterstützen. Einfach so. Die einem Türen aufhalten. Einfach so.

Doch zurück zu meinem Flat White.

Die „Position”, die ich hier am Jüdischen Museum in Sydney habe, gibt es eigentlich nicht. Gab es auch noch nicht.

Sie ist dafür geschaffen worden, dass ich hierherkommen kann.

Das ist wirklich verrückt, ich weiß. Unglaublich surreal. Und doch: Ich denke sie mir nicht aus. Es ist meine Geschichte, aufgeschrieben am 5.10.2023, nachmittags, Sydney time, mit dem zweiten Flat White vor mir.

2018/19 war ich für sechs Wochen in Australien. Wandern, Zugfahren, Museen angucken: Natürlich war ich in Melbourne im Holocaust Museum, im Immigrationsmuseum, im Melbourne Museum und hier in Sydney im Jüdischen Museum. Die Ausstellungen fand ich allesamt total spannend und irgendwie anders; für mich innovativer, packender als in Deutschland - wenn ich das so pauschal sagen darf. Ich hatte ein paar Mitarbeitenden vor meinen dortigen Besuchen geschrieben, mich vorgestellt und angefragt, ob wir uns nicht kennenlernen wollen und mich mit ihnen getroffen. Was ich von den Bildungsabteilungen mit Bezug zum Holocaust gehört hatte, interessierte mich. Wie schafft es ein Museum, so weit weg von Europa mit einem extrem diversen Publikum über den Zweiten Weltkrieg zu sprechen und dann auch noch - oder gerade deswegen - die Gegenwart einzubeziehen? Wie arbeiten sie mit welchen Gruppen? Welche Ideen hatten sie für neue Ausstellungen?

Glaubt man den neuesten Statistiken zur australischen Einwohnerschaft, dann ist der Kontinent Down Under, das diverseste Land der Welt: über 300 ethnische Gruppen sollen hier leben, etwa 270 Sprachen werden in Australien gesprochen; Multikulturalismus ist seit den 1980er Jahren offiziell und staatlich anerkannt - gleichzeitig - und im negativen SInne erstaunlich - hat die indigene Bevölkerung hier vor Ort kaum eine offizielle Stimme - derzeit läuft dazu ein Referendum, die Stimmung ist sehr aufgeheizt und polaisiert.

Das Referendum für eine offizielle Stimme Indigener im Parlament endet am 14.10.2023.

2018, nach dem Museumsbesuch in Melbourne bin ich an den Strand spaziert.

Melbourne - 2018

Und mit Blick auf die Skyline und mit den Füßen im Ozean hatte ich diesen Gedanken: „Das wäre ja mal cool. So für länger.” In meiner Erinnerung hatte ich dabei ein Schmunzeln und ein „Mh” auf den Lippen. Ich habe diesen Moment sehr intensiv im Gedächtnis. Kopf etwas schräg, etwas auf die Unterlippe beißen. „Wie kann das funktionieren?"

Ich kannte niemanden aus meinem Arbeitsfeld in Deutschland, der/die das schon mal gemacht hätte, hatte auch von niemanden gehört. Es gibt ein paar Leute, die nach Österreich, nach Israel, nach Polen, in die Niederlande, nach England oder vielleicht in die USA gegangen sind. Aber Australien? Mh, das ist schon weit weg.

Mitarbeitende von Unis oder Studierende können das zwar immer noch nicht super einfach, aber doch eher einmal: an eine andere Uni gehen, sich auf Fellowships bewerben. Warum geht sowas eigentlich nicht auch an Gedenkstätten oder Museen?

Mh.

Ich war zwar gerade erst nach Hamburg gewechselt, doch der Gedanke von mir als uckermärkisches Dorfkind in Down Under begeisterte mich. Vielleicht danach? Oder mittendrin? Was würde eigentlich „länger” bedeuten?

Am 11.12.2018 - nach drei Nächten in Australien und dem Besuch im Melbourner Holocaust Museum - schrieb ich in mein Reisetagebuch „Mh, reizt mich. Ich muss darüber weiter nachdenken. (...) Warum eigentlich nicht?”

Auf einer anschließenden längeren Wanderung entlang des Great Ocean Walks, habe ich Notizen gemacht: neben Erlebnissen des Tages, was wohl sowas, Dorfkind Down Under, in etwa kosten würde; Visafragen, die ich nach der Wanderung mal recherchieren müsste; erste Ideen gesammelt, was ich denn - neben der Arbeit, wie auch immer sie aussehen sollte - denn anschauen wollen würde.

Ich hatte dann noch einige weitere Wanderungen und Zugfahrten vor und hinter mir, bis ich ein paar Wochen später in Sydney war. Was für eine Stadt! Ich wollte immer nach Hamburg, lieb(t)e den Hamburger Hafen, war dort gerade erst (2018) hingezogen - mit Blick auf den Hafen in Sydney schoß es mir nicht nur einmal durch den Kopf: "Das hier ist ein anderes Level!" Klippen, Strände, Buchten, Wellenrauschen, Buckelwale, die vorbeischwimmen - einfach nur: WOW!

Der Klippenwanderweg rund um Dover Heights - tatsächlich und in echt: meine neue Wohngegend.
Vom Weg zum Arbeitsplatz, Rose Bay.

Ich saß am 24.12.2018 im Café im Jüdischen Museum, trank einen Flat White und schrieb in mein Reisetagebuch: „Ich bin völlig euphorisiert! Ich will das machen!" Ich hatte vorsichtig und doch zielgerichtet nachgefragt, bei Simon, der damals in der Bildungsabteilung arbeitete. Er meinte, normalerweise gehen Leute aus dem Feld für eine Zeit aus Australien weg, nach Israel, in die USA. Australien sei eben ziemlich isoliert, weit weg eben. Eigentlich wäre es doch auch was, wenn Leute kommen würden. „Warum nicht?"

Ich war von meinem Flat White damals beim ersten Besuch quasi betrunken. „Oh man, ich bin so aufgeregt. Ich will das machen. Unbedingt! :) :) :) Zu einfach gedacht?! Kann sein, aber ich habe keine Angst & Bock drauf." Das war im Dezember 2018.

Es gibt nun keine direkte Linie zum Oktober 2023, doch es ist vielleicht, nein wahrscheinlich der Anfang.

Die ersten Ideen und Emails mit Sydney und Melbourne zu einem wie auch immer gearteten Forschungsaufenthalt in Australien begannen noch bevor ich wieder in Hamburg zurück war. Mir wurde geschrieben, dass gerade eine Stelle ausgeschrieben sei, ich könnte mich ja bewerben. Das hatte ich dann aber nicht gemacht. Die weiteren losen Ideen verloren sich im Sande, spätestens als Australien während Covid die Grenzen schloss. Außerdem war da die Frage, wann und wie lang eigentlich; und in welchem konkreten Rahmen.

Mh.

2020 begann ich mit meiner Doktorarbeit, die Idee hatte ich seit 2016. Dass das abgelegene oberpfälzer Flossenbürg wirklich mehr mit Australien zu tun hatte, haben könnte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Als ich begann, wusste ich zwar, dass DPs in alle Welt emigriert sind, aber an Australien dachte ich nicht wirklich.

Ich begann also zu recherchieren, wühlte mich im strikten deutschen Lockdown eins und zwei durch Online-Archive und Internetforen und versuchte umzusetzen, was eben ging mit all den Beschränkungen. Es half eindeutig, dass ich bereits in dem Feld arbeitete und mir viele Kolleg:innen Möglichkeiten schafften, die es für andere (sicher) nicht so einfach gegeben hätte. Im tiefsten Covid wurde manches zum Handel: „Kannst du dir vorstellen, xy online zu moderieren?” Zoom war auch abschreckend für viele, gerade am Anfang. „Ok - ich hab zwar keine Ahnung vom Thema, aber wird schon. Hilfst du mir dann dabei xy zu erhalten?” oder: „Wenn es das nächste Zeitfenster für einen Archivbesuch bei Euch gibt, sagst du mir bitte Bescheid? Nimmst mich auf?”

Irgendwo auf dem (online-) Weg und der Suche nach über 2000 DPs, die im DP-Camp Flossenbürg waren, erkannte ich ein Muster:

einige gehen nach Australien...

... Australien ...

Mh.

Wieder Australien...

Mh.

Und nicht gerade wenige.

Und nicht gerade unwichtige.

Mega spannend!

Mh. Nachdenken, Kopf leicht schräg.


Das ist es!


Ich schrieb also über die Zeit hinweg auch Wissenschaftler:innen in Australien an, erzählte, was ich so mache, machen möchte, was mich interessiert, ich herausgefunden habe und dass ich nach Australien kommen möchte, denn mittlerweile hatte ich Kontakt auch mit DP-Angehörigen. Ich telefonierte nachts um 2 Uhr deutscher Zeit mit einem ehemaligen DP in Port Macquarie, etwa 400 Kilometer nördlich von Sydney, „traf“ Nachkommen via zoom.

Auf meine Emails an australische Uni-Emailpostfächer, Professor:innen, habe ich nicht immer eine Antwort erhalten, einige sagten freundlich-einladend ab, von einigen erhielt ich keine Antwort. Eigentlich schrieb nur eine Person wirklich zurück. Konrad, ein emeritierter Prof, in Rente. Spannend, was ich da so mache, vor- und herausgefunden hätte. Ein Text von ihm zu einem anderen, aber ähnlichen Themenkomplex, eine Liste mit Namen, die er kenne und mit denen ich Kontakt aufnehmen sollte, mit ihm als Referenz. Mich ans Sydney Jewish Museum, dem Jüdischen Museum, zu bringen, sei kein Problem. „Wie wäre es denn auch mit Melbourne, Adelaide, Darwin, Perth? Du könntest eine ganze Rundreise machen! Die erarbeiten gerade alle neue Ausstellungen.” Ich war perplex und stammelte - glaube ich mich zu erinnern: „Also, Sydney würde mir schon reichen.”

Passierte das hier wirklich? Ich war baff und im Halblockdown 2021 und danach ergaben sich mit einmal Türen, die ich vorher nicht einmal für möglich gehalten hätte. So wie es mir erschien, musste ich nur durchgehen. Es erschien mir so einfach. „Sag nur, wann und wie lang. Das kriegen wir hin!“ – Wow!

Wie das finanziert wird, sei eine größere Hürde. Was würde es denn in Deutschland für Möglichkeiten geben?

Das Einfachste wäre ein Promotionsstipendium, so dachte ich. In diesem Rahmen hätte ich die Möglichkeit, an eine ausländische Forschungseinrichtung zu gehen. Ich hatte/habe Freunde, die ähnliches, jedoch woanders machten. Also begann ein längeres Bewerbungsverfahren.

Crazy, verrückt - ich bekam es auch noch.

Inklusive des Australien-Aufenthaltes. Das hatte ich bereits in meine Bewerbung aufgenommen. Ich hatte also eine Zusage bekommen. Das war im Mai 2022. Ich schrieb umgehend nach Australien und wieder kam zurück, dass es an mir liegen würde, wann, wie lang, ich sei willkommen.

Und auch das ist echt: Zu diesem Zeitpunkt hatte ich Konrad noch nie in persona gesehen. Wir kannten uns lediglich aus einem Zoom-Gespräch und Emails. Wir stellten dabei schnell fest, dass wir ähnliche Leute kennen, überall, vor allem im östlichen Europa. Als er in Europa war, Ende 2022, kam er auch nach Hamburg. Ich erzählte, was in meinem damaligen Projekt passiert ist und passiert, zeigte eine Ausstellung, die ich mit einer Kollegin kuratiert hatte. Auch wenn nicht klar war, wann und wie genau, wie lang, es liege an mir. „Dann komm doch vorbei!”, blieb mir im Kopf. So richtig glauben konnte ich das nicht. Es erschien mir alles irgendwie so…, irgendwie zu einfach, viel zu einfach und dabei war es das doch eigentlich nicht. So viel Glück auf einmal? Das machte mir manchmal etwas Angst. Dass ich das machen möchte, irgendwann, das war aber irgendwie klar. Konrad erzählte mir, dass es über die Jahrzehnte hinweg, in denen er zwischen Australien und Europa reiste und arbeitete, es immer wieder Leute gegeben habe, die ihn um Unterstützung baten für eine Zeit in Australien. Umgesetzt habe es aus Deutschland aber bisher niemand wirklich. Irgendwie - ich komme da auch nicht aus meiner Haut - löste das was in mir zusätzlich aus. Das wäre ja schon der ziemliche Hammer und es passt in so vielerlei Hinsicht.

„Wir sehen uns in Sydney! Ich hol’ dich vom Flughafen ab!”, hieß es bei der Verabschiedung. Ich glaube, ich stutzte, war einerseits begeistert und zeitgleich fragte ich mich, ja, wann denn nun eigentlich?

Mh.

Eine wirklich verrückte Geschichte; auch eine feel-good-story, eine Wohlfühlgeschichte. Und auch wenn ich jegliche Skepsis verstehe, sie ist auch noch echt. Das ist das Verrückteste an allem!

All das kam mir heute - erneut - als ich einen Flat White trank, während ich fast auf dem gleichen Platz wie im Dezember 2018 saß.

Das Café im Jüdischen Museum ist mittlerweile eine Kaffee-Lounge zum Selbstbedienen geworden.

Ich habe diese Geschichte zuletzt ein paar Leuten erzählt, auf dem Weg hierher wie Leuten in Europa, und - vermutlich - erwartbar kam die Rückfrage, was denn nun mein nächster Traum, mein nächstes Ziel wäre. 

Erst einmal möchte ich das hier in vollen Zügen genießen. Ich möchte hier sein, meine ganzen Quellen analysieren, Leute treffen, schreiben und jeden Tag meine Füße ins Wasser stecken. Wozu gerade weiterlaufen? Die Umgebung ist gerade viel zu schön!

Bondi Beach


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