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Bis zum Rande der Ohnmacht

Veröffentlicht: 14.02.2024

18. Tag: Heute bin ich nicht aus dem Bett gekrabbelt. Ich bin gesprungen. Es klopfte. Irgendwann zwischen Mitternacht und weiß ich nicht. Unsere Hunde sprangen im Fünfeck, bellten und fletschten die Zähne. Oder war das Icke? Als ich die Tür von unserem Wohnmobil vorsichtig öffnete, sah ich, dass es schon hell war. Eine alte Frau stand da und flehte: „Bitte, können Sie uns helfen?“ Ich tauschte schnell mein Schlafshirt gegen mein Tanktop und sprang auf die Straße. „Unser Wagen springt nicht mehr an“, sagte die Holländerin in einer Mischung aus Deutsch und Englisch und deutete auf einen weinroten Fiat 500, in dem ein älterer Mann den Anlasser malträtierte. Da ich kein Starterkabel dabei habe, blieb nur eins: schieben! Und so schoben wir. Und schoben. Und schoben. Während ich nach einer halben Stunde – vielleicht war es auch eine Stunde? – das Gefühl hatte, mit dem Asphalt unter mir zu verschmelzen, marschierte die Holländerin munter neben mir her, die Hände am Auto und erzählte mir ihr halbes Leben. Ich sagte keinen Ton, mir fehlte sogar die Kraft zum Nicken.

Als der Mann schließlich ausstieg und seine Frau fragte, ob es anstrengend sei, rutsche ich mit dem Rücken am Auto zu Boden. Einer Ohnmacht nahe registrierte ich mit halb geschlossenen Augen, wie eine junge Frau mit ihrem Kinderwagen stehen blieb und ihre Hilfe anbot. Die Holländerin nahm diese dankend an und die beiden tauschten die Rollen. Die Holländerin schob den Kinderwagen – wenigstens schob sie jetzt! –, die Spanierin stellte sich neben mich und meinte: „ Vamos!“ Übersetzt: Auf geht’s! Das sagt sich so leicht, Mylady, dachte ich und rappelte mich hoch, um mir meine neue Hilfkraft genauer anzusehen. Das, was ich da sah, veränderte vieles, wenn nicht alles: Eine braungebrannte Spanierin mit schwarzen langen Haaren in einem enganliegenden beigefarbenen Seidenanzug, die mich anlächelte wie die Morgensonne im Mai.

Ich habe die vergangenen Stunden überlegt, wo in meinem Körper sich die Energie versteckt hat, die jetzt meine Muskulatur durchflutete. Ich fühlte mich, wie sich meine Powerstation fühlen muss, wenn ich sie nach einer Tiefentladung an eine Starkstrom-Quelle anschließe. Ich sprang mit diesem Superman-Lächeln auf, bei dem die Mundwinkel mit den Augenwinkeln verschmelzen und versuchte mir vorzustellen, ich wäre 30 Jahre jünger. Ich wollte nicht glauben, dass selbst die Vorstellungskraft ein gewisses Maß an Energie benötigt – jetzt weiß ich es. Wir schafften keine zehn Meter. Das Letzte, das ich von der Spanierin wahrnahm, waren das müde Lächeln, die hochgezogenen Augenbrauen und das Schulterzucken, mit dem sie der Holländerin erklärte, dass sie wohl eine Werkstatt anrufen müsse.

Ich weiß nicht mehr, wie ich zu unserem Stellplatz zurückgekommen bin. Icke hat mir später erzählt, die Holländer hätten mich mit ihrem Auto gebracht. Sie erzählten von einem Bekannten, der überraschend vorbei gekommen sei und ihnen Starthilfe gegeben hätte. Die hätte ich auch nötig gehabt. So ist dieser Tag für mich gelaufen …

P.S.: Gegen Mittag war ich wieder so weit hergestellt, dass ich Icke auf den Wochenmarkt von Guardamar begleiten konnte. Zum Glück! Dort haben wir Edith und Patje aus Belgien kennen gelernt, von denen ich Euch morgen erzähle. 

Antworten (2)

Richard Ott
Aber Willi, wie kann man ohne Starthilfekabel unterwegs sein…. Sowas gehört in jedes Wohnmobil… Lg Ricci Derzeit stehen wir am Rhein Nähe Breisach.. morgen geht’s bis Clermont Ferrand..

Super! Wir wünschen Euch ein gutes Durchkommen ohne große Streik-Probleme. Liebe Grüße!

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