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Bisket Jatra - Neujahr in Bhaktapur

Veröffentlicht: 16.04.2024

Am Wochenende bin ich nach Bhaktapur gefahren um dort das nepalesische Neujahr zu feiern. Der nepalesische Kalender richtet sich nämlich nicht wie unser Kalender nach der Sonne, sondern nach dem Mond. Somit wurde am 13. April, dem 1. Baisakh, der Beginn des Jahres 2081 gefeiert.

In Bhaktapur findet zeitgleich dazu das Fest "Bisket Jatra" statt. Es basiert auf einer bestimmten Geschichte, welche davon berichtet, dass eine Prinzessin verheiratet werden sollte. Kein Bräutigam überlebte allerdings die Nacht vor der Hochzeit, bis schließlich ein weiterer Mann ausgewählt wurde, den Ehebund mit der Prinzessin einzugehen. Auf die Anweisung einer alten Frau hin, blieb er die ganze Nacht lang wach. Dabei sah er, wie um Mitternacht aus den Nasenlöchern der schlafenden Prinzessin zwei Schlangen herauskamen. Bevor sie größer werden konnten, schnitt er diese in Stücke, so wie es die alte Frau ihm aufgetragen hatte. Somit brach er den Bann und die Prinzessin und er heirateten am nächsten Tag. Später stellte sich heraus, dass es sich bei der alten Frau um die Gottheit Bhadrakali gehandelt hatte.

In Erinnerung daran, feiert die Volksgruppe der Newari neun Tage und acht Nächte lang das Fest Bisket Jatra. Der ursprüngliche Name dieses Fests war "Bisyaku Jatra". "Bi" bedeutet in der Newari-Sprache "Schlange" und "sya" steht für "tot"."

Die Feierlichkeiten in Bhaktapur beginnen mit einem Tauziehen. Dabei wollen die Bewohner des oberen und unteren Stadtteils den "Tempel auf Rädern", welcher der Gottheit Bhairab geweiht ist, auf ihre Seite ziehen. Bei der Gottheit Bhairab handelt es sich im Übrigen um den Ehemann der Gottheit Bhadrakali. 

Am Tag vor dem nepalesischen Neujahr werden dann der Bhairab-Tempel und noch ein anderer kleinerer "Tempel auf Rädern" an Stricken auf einen Platz gezogen. Wenn sie dort angekommen sind, wird ein hölzerner Mast mit Querbalken aufgerichtet. Die zwei an ihm angebrachten Fahnen symbolisieren den Sieg über die Schlangen. 

Am nächsten Nachmittag versuchen Anwohner in einem weiteren Tauziehen den Mast auf ihre Seite fallen zu lassen. Der Sturz ist schließlich der Beginn des neuen Jahres. Danach werden die "Tempel auf Rädern" wieder auf die Straßen gezogen. 

Zum Ende des Fests repräsentiert ein symbolischer Zusammenstoß der Tempel von Bhairab und Bhadrakali die Vereinigung von Mann und Frau beziehungsweise die gelungene Hochzeit.

Ich reiste einen Tag vor dem nepalesischen Neujahr an und durfte schon tagsüber sehen, wie beide "Tempel auf Rädern" an Seilen durch die Straßen gezogen wurden. Am Abend wartete ich mit unzähligen anderen Menschen darauf, dass die Tempel den entsprechenden Platz erreichten und der Mast aufgestellt werden kann. Jeder Millimeter, den sich die Tempel nach vorne und der Mast nach oben bewegte, wurde dabei mit einem Jubeln belohnt. 

Am Neujahrstag machte ich mich tagsüber erneut auf zu diesem Platz. Schon auf dem Weg dorthin bemerkte ich, dass sich die Stadt in einem Ausnahmezustand befand. So fanden auf dem Tempelplatz neben meiner Unterkunft weitaus mehr Opferungen am Morgen wie üblich statt. Hierfür laufen die Gläubigen mit Tellern, auf welchen sich ihre Gaben befinden, zu den verschiedensten Orten, an denen sie opfern möchten. Außerdem waren viele der Menschen in den typischen Gewändern der Newari-Volksgruppe gekleidet und durch die ganze Stadt zogen Gruppen mit Trommeln, Becken und Tröten.

Als ich schließlich den Platz der "Tempel auf Rädern" und das Masts erreichte, war ich erst einmal einer kompletten Reizüberflutung ausgesetzt. Neben den "Musikgruppen" befanden sich auf dem Platz zahlreiche Männergruppen, die im Kreis auf dem Boden saßen und psalmartige Gesänge aus einem Buch von sich gaben. Außerdem waren viele Menschen gekommen um an den verschiedenen Tempel auf diesem Platz, vor allem aber am großen "Tempel auf Rädern", der der Gottheit Bhairab gewidmet ist, ihre Opfergaben zu darzubringen.

Staunend habe ich das Treiben und die Leidenschaft beobachtet, mit der die Menschen bei der Sache waren. Als ich über den Platz lief, bemerkte ich auf einmal einen Hühnerkopf auf einem Opferteller einer Frau. Kurze Zeit später konnte ich mir erschließen woher dieser kam. Ich sah auf dem "Tempel auf Rädern" wie ein Huhn nach dem anderen geopfert wurde. Anfangs zählte ich noch mit, wie viele Hühneropferungen ich nun schon beobachtet habe, gab dann aber irgendwann meine Zählung auf. Später sah ich noch an weiteren Stellen auf diesem Platz Hühneropferungen. Außerdem beobachtete ich, wie der Gottheit Bhairab, deren Figur wie eine Galionsfigur vor dem "Tempel auf Rädern" angebracht ist, die Opfergaben dargebracht wurden. Dafür hielten die Gläubigen ihre Opfergaben nach oben und zwei Männer, die auf dem "Tempel auf Rädern" standen, nahmen sie entgegen und "fütterten" die Figur der Gottheit mit den Gaben. Das geopferte Geld steckten sie ein. 

Am Abend suchte ich erneut diesen Platz auf und sah aus sicherer Entfernung zu, wie der Mast fiel und sich die Tempel wieder in Bewegung setzten.

Am nächsten Tag, der Tag nach Neujahr, wollte ich wieder zurück nach Kuntabesi fahren. Davor ging ich noch einmal alle potenziell interessanten Stellen in Bhaktapur ab. Dabei fand ich den Bhairab-Tempel auf einer Seitenstraße stehen. Dort bleibt er nun drei weitere Tage, bis er schließlich wieder zum Abschluss der Feierlichkeiten auf einen anderen Platz gezogen wird. Unglaublich war für mich, dass der "Tempel auf Rädern" nun kaum Beachtung bekommen hat, wo er doch am Vortag noch der Mittelpunkt des Opferkults gewesen ist. 

Insgesamt muss ich wirklich sagen, dass das, was ich an diesen Tagen in Bhaktapur erleben durfte, mit Abstand das Krasseste war, was ich bisher hier in Nepal gesehen habe und ich bin so froh und dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte. Ich hoffe, dass ich euch anhand der vielen Bilder und dieses Berichts auch ein kleines Stück dieser doch so anderen Welt eröffnen konnte.

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