Mit Geschichte(n) um die Welt
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Von alten Erinnerungen: Titahi Bay heute und damals

Veröffentlicht: 22.04.2024

Diesen Ort habe ich als 19-Jährige geliebt! Diesen Ausblick von der Terrasse, diese Bucht, dieses Café, diesen Strand, das ganze Drumherum. Oft und vor allem, wenn ich Fernweh hatte (oft!), habe ich mich dorthin zurückgesehnt. Nicht, weil alles dort (nur) toll oder einfach war - im Gegenteil - doch ich hatte mich dort, in Titahi Bay, zuhause gefühlt und zuhause fühlen wollen. 


Titahi Bay, April 2024.
Fangen wir einmal anders und ungewöhnlich an, nicht nur mit dem Positiven: Wenn ich an Titahi Bay denke, denke ich auch daran, dass ich wenig Geld, nur unregelmäßig Arbeit hatte und dazu schlecht bezahlt wurde. 

Mein Bankkonto, ich erinnere mich lebhaft, war und wurde immer leerer; da ich reisen, viel erleben wollte und zugleich auf gar keinen Fall meine Eltern nach Geld fragen wollte, war ich zeitweise ultra gestresst. 

Ich hatte ein Zimmer in einem wunderschönen Haus, dort wollte ich bleiben. Ich verstand mich gut mit der jungen Familie bei der ich wohnte, war froh, nicht mehr im Mehrbettzimmer in Hostels zu sein. Den atemberaubenden Meerblick von fast allen Zimmern wollte ich nicht aufgeben. Doch es hatte eben auch seinen Preis. Arbeit hatte ich nur ab und an. Dazu setzten mich Nachfragen, was ich denn nun nach Neuseeland genau machen wollte, unter Druck. Und ich mich auch selbst. Manchmal hatte ich so neben Geldsorgen vielleicht auch etwas von Zukunftsangst. So sehe ich das heute. 

Klar war mir jedoch damals und ich war wild entschlossen: die Zeit in Neuseeland sollte meins sein, nicht finanziert von irgendwem, nicht geschenkt von Eltern und Co. 

Ich erinnere mich, dass ich einige Zeit extreme Rückenschmerzen hatte und nicht nur im Café und abends und am Wochenende in einem Restaurant gearbeitet habe und dann wieder tagelang keine Schichten in Aussicht, sondern dazu auch ein paar Mal pro Woche eine Art selbstorganisiertes Praktikum bei den Greens, der Grünen-Parlamentsfraktion in Wellington, absolvierte [Im Hinterkopf war: man muss ja an die Zukunft denken, der Lebenslauf,...]

Wellington und damaliges Büro der Grünen-Fraktion, 2008 oder 2009.

In meiner Erinnerung blieb Titahi Bay trotzdem oder wegen all dem in sehr guter Erinnerung. Intensiv ist auch hier das Wort, das am besten passt. 

Titahi Bay, 2024.
Über 15 Jahre ist es her, dass ich zuletzt hier war. Als ich eben von Wellington nach Titahi Bay fuhr, konnte ich nicht beschreiben, wie ich mich fühle.


Aufgeregt? 

In freudiger Erwartung?

Melancholisch?

Seltsam? 

Eigentlich eher sehr ruhig.

Ich fühlte eigentlich nicht so viel, außer dass ich versuchte mich zu erinnern. 

Mh, das Shopping Center, ja, das große Shopping Center in der nächstgelegenen größeren Stadt. Sieht aus wie damals. 

War das nicht der Ort, wo ich meine Brille kaputt gemacht habe? 

Und war da nicht ein Pizzaladen? 

Wo war das Fitnessstudio?

Die Sonne strahlt, blauer Himmel, blaues Meer. So habe ich Titahi Bay in Erinnerung. Schön, gemütlich, einladend, zum Verweilen.
Titahi Bay, 2024.
Da! Die Feuerwache. Ich freue mich, muss lachen und spreche zu mir selbst. Ich erinnere mich noch gut an meine Besuche dort. Lese später in meinem damaligen Blog "KiwisfürAnfänger". https://kiwisfueranfaenger.wordpress.com/2009/01/28/mein-neuseeland/


Wo ist das Haus, in dem ich einige Monate gewohnt habe? War das die Straße? Oder doch eher weiter unten? 
Titahi Bay, hier habe ich verstanden, was es heißt “Home is where your heart is” - Dein Zuhause, deine Heimat, ist, wo dein Herz ist. Ich mag mir das rückblickend einreden und einreden wollen, aber doch, da ist etwas dran, wenn ich an diese Bucht zurückdenke.


Von oben auf die Bucht schauen, so schön! Ich kann auch heute nicht genug davon bekommen.

Dann runter an den Strand. Ich bin, wie soll ich sagen, etwas enttäuscht, vielleicht.

 Irgendwie ist er nicht mehr so schön wie in meiner Erinnerung; irgendwie kleiner, kein außergewöhnlicher Sand und so wenig Wellen. 

Ich muss über mich selbst schmunzeln - wie spoilt, absolut verwöhnt, ich doch bin! Ich denke über die viele wunderschönen Orte nach, die ich nach Titahi Bay noch entdecken konnte, "gefunden" habe. 

Wie lang das alles her ist! “Wahnsinn”, denke ich nicht nur einmal. 

Da hinten ist das Café, in dem ich gearbeitet habe. Es ist zu, kein Café mehr. Ich bin ein bisschen enttäuscht. In meiner Vorstellung wollte ich dort heute Mittagessen und ein bisschen arbeiten. Ich schleiche ein bisschen umher, gehe zum Strand und zurück. Ich sehe, dass die Tür offen ist, ein paar Menschen; ich klopfe.

Ohne das ich mich vorstellen konnte, kommt eine etwa 60-jährige blonde Frau auf mich zu und stellt mich einer älteren Bäckerin mit Haarnetz vor. Ich sage, was mich hierher verschlägt. Ich bekomme ein Stück Brot und eine Umarmung. "Das ist ja toll! Aunty Daisy, ja, das gibt es schon lange nicht mehr. Ich war hier oft zum Essen!”, erzählt mir die Frau ohne Haarnetz. “Das ist lange her, dass das Café geschlossen hat", wiederholt die andere. “Wie schön, dass du wieder da bist. Noch ein Stück Brot? Schau einmal, hier war die Theke, da die Küche.”
Hier habe ich mal gearbeitet. 15 Jahre,  lang her. 

Die Sonne strahlt, es ist warm, ich trinke einen Flat White. Gleich nebenan hat vor zwei, drei Jahren, wie der Besitzer mir erzählt, ein kleines neues Café aufgemacht. “Oh, das mit dem Abendessen am Wochenende sollte ich zurückbringen", sagt der Mann an der Kaffeemaschine. Ich meine zu hören, dass sein Aussprache kein Kiwi-Akzenzt ist. Sein Café heißt Aloha Friday. US-Amerikaner, Kanadier? Ich weiß nicht und mache mich auf den Weg zu einer kleinen Wanderung. Ich meine, dass ich dies vor 15 Jahren, als ich hier lebte, nicht gemacht habe. Warum eigentlich nicht? Ich weiß es nicht oder nicht mehr. 


Beim Blick übers Meer kommen Erinnerungsfetzen. 


Was wohl die Leute machen, die ich damals hier traf? 

Was wohl die vielen Backpacker machen, die ich auf all den Reisen begegnet bin? 

Dann springen meine Gedanken und Erinnerungen, hin und her. Verschiedene Anekdoten der letzten 15 Jahren. Wie cool, dass ich nun wieder hier bin. Und meine Erinnerung bringt mich wieder zurück zu einer Person, einer Begegnung, eine Reise, eine Anekdote. Auffrischen der Erinnerung, tatsächlich. 

Und dann ein neuer Gedanke, an dem ich für den Moment kleben bleibe: Ich bin stolz auf mich. So richtig, richtig stolz und ohne Wenn und Aber. Damit habe ich bei meinem heutigen Besuch nicht gerechnet. Da stehe ich in der Sonne, Blick aufs Meer. Ich hab das einfach mal damals mit 19 gemacht. "Abgefahren", schießt es mir durch den Kopf. "Mit 19, richtig krass." Ich musste beim Nachdenken auflachen - und nun auch beim Schreiben. Wenn ich meinem Selbst von damals begegnen könnte, würde ich meinem Gegenüber auf die Schultern klopfen. Ich glaube, so richtig habe ich das erst heute verstanden. Richtig gut gemacht, wie du das alles gemeistert hast. Mit 19. Hut ab. Ich muss schmunzeln, bin total glücklich. 

Und dann setzte ich mich ins Auto und fahre weiter. Ich hab ein Lächeln auf den Lippen, höre Musik von damals, fahre zum neuseeländischen Kleinpolen, einem ehemaligen DP-Camp. Arbeit und Reisen im absoluten Sinne, damals gelernt, wie es geht und gehen kann und dann nie wieder damit aufgehört. Richtig gut! Ein so toller Tag. Ein so verrückter Tag. Ein so intensiver Tag. Ich war lange nicht so zufrieden!

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