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Tassi Part Two

Veröffentlicht: 23.04.2024

05.03- 16.04.2024

Wir stöberten durch unzählige Kleinanzeigen unterschiedlicher Plattformen. Und fanden eine sehr witzig geschriebene Anzeige von einer kleinen Familie, die wir kontaktierten und danach einige Tage nichts passierte. Sie schrieben jedoch, entschuldigten sich, dass sie zu Hause an nur einem Fleckchen ihres riesigen Geländes Telefon- und Internetempfang haben. Also verständlich, dass sie nicht sofort zurück schrieben. Wir besuchten sie einen Tag früher, bevor sie uns von der Autovermietung abholen würden, da sie ja am A… der Welt wohnen und wir da nacher nicht irgendwo im Nirgendwo ohne Empfang und Auto verlassen stehen wollten. Was wenn wir sie nicht leiden konnten oder alles nicht so ist, wie erwartet. Zuvor hatten wir nur wenige Sätze per Mail getauscht. Ja, die Wegbeschreibung hatte es in sich, man solle, wenn möglich mit Allradantrieb kommen, haha, wir hatten zwar nen SUV, aber keinen 4x4. Es war eine ruckelige Waldfahrt, mit einigen tiefen Schlaglöchern zu deren Haus und vielleicht hörte man einige Angstschreie vom Beifahrersitz auf den zwei Kilometern Berg aufwärts. B. und L., in unserem Alter, mit ihren zwei Kids und Hündin Sky haben uns sofort herzlich willkommen geheißen. Zuerst gabs ne Rundtour übers Gelände, viel Wald, sehr viel Wald, und Garten und noch mehr Garten. Alles am Hang. Aber da oben in den von Secondhandmaterialien gebauten Häusern fühlten wir uns auf Anhieb pudelwohl.

Mit uns fing auch eine weitere Deutsche dort an, mit zu helfen, drei junge Belgier/ innen waren schon da und eine Woche später kam noch ein japanisches Pärchen. Kunterbunte Kulturmischung, die vor allem beim Kochen viel Austausch bot. Jedoch hatten alle das gleiche Verständnis und die gleichen Interessen: hier so viel neue Erfahrung zu sammeln wie nur irgendwie möglich. Hier lebt man so gut es geht selbständig. Das Wasser zum Duschen wird im See gesammelt und mit Hilfe einer Pumpe bergaufwärts befördert, um es dann mittels Schwerkraft wieder zum Haus laufen zu lassen. Trinkwasser ist gesammeltes Regenwasser. Toilettenspülung gibts nicht. Nach dem Geschäft wird eine handvoll Sägespäne über das Gemachte geleert, und wenn der Eimer voll ist, kommt der Inhalt in den Poocompost, was in ein paar Jahren guten Dünger gibt. Man braucht paar Tage um sich daran zu gewöhnen, aber stinken tut es nicht, wenn man die richtige Dosis an Spänen nimmt :-)

Strom gibts nur mäßig, das was eben die kleine Solaranlage auf der Maisonettewohnung einsammelt und die alten Gabelstaplerbatterien zur Verfügung stellen. Für deren Ausfall oder wenn B. in seiner Werkstatt mehr Strom braucht, z. B. für den Kompressor, dann gibts noch den Generator. Gekocht wird mit Gas und heißes Wasser zum Duschen, ja dafür muss man zuvor in den benachbarten Wald und Holz sammeln. So wie es früher auch unsre Großeltern taten. Es tat gut, mal auf den Boden der Tatsachen zu kommen. Zu sehen, dass es auch ein anderes Leben als unser bisheriges „Stadtleben“ gibt. Der Garten war voll mit Tomaten, Kürbis, Zucchini, das gab es regelmäßig in verschiedenen Varianten. Vieles wurde auch eingemacht. Und einmal die Woche fuhren wir zu dritt oder viert in die benachbarten Städte und gingen containern. Es gibt zwei große Supermarktketten auf Tasmanien und ihr glaubt nicht, wieviel man aus deren Abfallcontainer holen kann. Nein, wir aßen und essen kein verschimmeltes Obst oder Gemüse, kein vergammeltes Fleisch oder aufgerissene Nudelpackung. Alles was wir mitnahmen war komplett verpackt, sah einwandfrei aus und wurde zu Hause geputzt und gewaschen und von der äußeren Verpackung, falls vorhanden, befreit. Es war wie Weihnachten, man fuhr los und wusste nicht, was man finden wird, man freute sich auf das Gerettete. Vor dem ersten Mal waren wir beide ziemlich aufgeregt, da man das in Deutschland nicht darf. Hier ist es eine Grauzone, wenn jemand was sagt, geht man halt wieder. Aber wir waren immer am Tag unterwegs und hatten nie Probleme. Nach unserem ersten Müllbesuch glaubten wir unseren Augen nicht: drei Klappkisten mit einwandfreiem Obst und Gemüse, 50 Kartons mit Milchalternativen (Mandel- Macadamia- und Hafermilch), Pizza, ca. drei Kilo eingeschweißte Fleisch- und Wurstwaren, Eier, Socken, Feuerzeug, Klopapier, Shampoo. Es war einfach verrückt. Bei den Eiern z. B. war eben eins in der Verpackung zerbrochen, alles war glitschig, also wird die komplette Schachtel weggeschmissen= 8 unzerbrochene, gute Eier. Bei dem Obst und Gemüse bleibt es für uns bis jetzt ein Rätsel, wahrscheinlich kam neue Ware. Also Überproduziertes für den Müll. Die Trauben und Äpfel hielten bei uns noch gute fünf Tage, bis sie gegessen waren in einwandfreiem, leckeren Zustand. Es öffnete uns noch einmal mehr, in was für einer krassen Konsumgesellschaft wir eigentlich leben. Meist waren unsre nicht bezahlten „Einkäufe“ rund 400€ wert.

Für uns gab es hier allerhand zu tun. Langweilig wurde es nie. Der Garten musste auf Vordermann gebracht werden, um darin wieder Knoblauch stecken zu können, den ich meditativ drei Tage lang ausgebrochen habe. Vor einigen Jahren hatte L. gewerblich Knoblauch verkauft, was sie in der nächsten Saison wieder vor hatte. Zu fünft geht das Beete vorbereiten und anschließende Stecken deutlich einfacher und schneller als alleine. Wir hatten hierbei glaube ich auch die nettesten und tiefsinnigsten Gespräche.

Ein weiteres Großprojekt war die „butchery“. Fleisch gibt es hier meist nur in geretteter Form aus dem Container oder eben wenn B. mit seinem Kumpel selbst in nächtlicher Mission auf Wallabyjagd geht. Hierfür fehlte aber noch ein fliegenfreier Raum, in dem die getöteten Tiere abhängen können. Nun waren wir einige helfende Hände und somit konnten wir tatsächlich das Projekt fliegenfrei geprüft fertigstellen. Tagelang haben wir gecobbt, teils mit Glasflaschen verziert, ein selbst konstruiertes Fliegengitterfenster eingebaut, eine Fliegengittertüre mitsamt selbstgebautem Rahmen eingesetzt, das Dach erneuert, jedes noch so kleine Löchlein erneut zugelehmt und am nächsten Tag nochmals versiegelt. So cool, wenn man weiß, das man was sinnvolles tut, was nacher auch noch funktioniert. Nachdem Brad auf Jagd war, erklärte er uns, wie man die Tiere häutet und verarbeitet. Jeder durfte dem nachgehen, was ihn interessierte. Am Abend gab es leckere Wallabysteaks über dem Lagerfeuer, für Tine nur Kartoffeln (aber sie probierte ein klitzekleines Stückelchen und es war echt lecker). Dafür hat sie ein anderes Projekt gestartet. Falls sie Interesse hat, darf sie ein Wallabyfell gerben. Mit den Worten, „wenn ich das doch nicht kann, dann hör ich halt auf“ fing sie an, überwund ihre Gedanken als Vegetarierin und stellte tatsächlich ein handgegerbtes Wallabyfell fertig.

Eigentlich sollte unser nächster Flug über Sydney nach Ecuador gehen. Wir entschieden uns, hier noch weitere 2,5 Wochen zu bleiben, um danach über Sydney direkt nach Peru zu fliegen. Jede Nacht kurz aufstehen, in den wunderschönen, klaren Sternenhimmel schauen, jeden Morgen Vogelgezwitscher und den Tag mit wundervollen Menschen verbringen, Neues lernen, Nützliches tun- kein Rucksack ein- und ausräumen, Unterkunftrezensionen lesen, Busse organisieren und die nächste Attraktion heraussuchen, die man besichtigen möchte. Nach den sechs Monaten auf Reisen haben wir hier unser kleines Zuhause auf Zeit gefunden. Die kommenden Tage veränderten wir auch ein wenig „unsere“ Wohnung: Flo baute eine kleine Wand mit Türe für unser Klo, Tine malte hier und da Wände und Türen bunt an. Wir fühlten uns hier einfach pudelwohl.

Ja, und dann kam halt doch irgendwann der Abschied und es ging wieder rein in die Zivilisation, rein in die Weltmetropole Sydney. Wir hatten hier tolle Tage, die wir bei Sonnenschein sehr genossen, denn auf Tasmanien zog in großen Schritten der Herbst ein.

Vom Fährboot sah das Opernhaus ziemlich klein aus, wir waren etwas enttäuscht. Aber als wir dann vorbei liefen, staunten wir nicht schlecht :-) Anstelle von einer Stadtführung entschlossen wir uns, uns einem Pokémon- Communityday anzuschließen. Mit zwei jungen Männern, die in Sydney wohnten, durchquerten wir die Stadt, bekamen hier und da noch Infos zu den Sehenswürdigkeiten und fielen am Ende des Tages mit 30.000 gelaufenen Schritten totmüde und glücklich ins Bett.

Ja, und nach Sydney stand uns der längste Flug unserer Reise bevor. Es ging in aller Herrgottsfrüh zuerst in eineinhalb Stunden nach Melbourne, drei Stunden später weitere 13 Stunden nach Chile, um da nochmals dreieinhalb Stunden später für dreieinhalb Stunden weiter zu fliegen. Wir waren nach diesem 36 Stunden Tag, in dem wir 16500 geflogene Kilometer hinter uns ließen und die Datumsgrenze überquert haben, mehr als k.o.

Und nun sind wir beide zum ersten Mal in unserem Leben in Südamerika.

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