Veröffentlicht: 01.10.2022
6.9. Di
Der Wasserstand war heute morgen nicht mehr so entspannt niedrig wie am Tag zuvor. Der Fluss sah auch viel reißender aus. Da habe ich nochmal Glück gehabt. Erst war noch lange Nebel, dabei habe ich die beiden Seeadler erst gehört und dann gesehen (Bilder im letzten Beitrag). Die Sonne kam raus, ich packte meine Sachen nach einem kleinen Frühstück fertig und fuhr bei schönem Wetter Richtung Bajina Bašta - dem Tor zum Tara Nationalpark.
In Bajina Bašta kaufe ich Postkarten in der Touristik Info (kein Problem) und Briefmarken in der Post (großes Problem). Selbst mit den korrekten Übersetzungen versteht die Dame erst nicht, was ich von ihr will... In der Post... KP was man in der Post hier sonst so macht... Ein guter Freund bekommt eine kyrillische Postkarte - ein toller Spaß für mich 😁
Auf dem Campingplatz begrüßen mich viele kleine Hunde, der Betreiber ist erst nicht da, ich telefoniere mit ihm, als er auftaucht, muss ich den Kontakt zu ihm suchen, damit ich weiß, wo die Toiletten sind. Sehr seltsam. Das Bad war auch seltsam. Ich koche und gehe bald schlafen. Die kleinen Hunde flitzen bis spät in die Nacht mit den großen Hunden durch die Felder und bellen eigentlich die ganze Nacht - so werden hier die Hunde sozialisiert.
7.9. Mi
Morgen ist es lange sehr neblig und feucht. Eine Katze kommt mich besuchen. Nach dem Frühstück breche ich gestärkt auf Richtung Nationalpark. Vorher mache ich noch einen Zwischenstop in der Stadt für Vorräte. Es wird heute viel bergauf gehen. Nebenbei scheitert mein Versuch, ein Schnellladekabel beidseitig Typ-C in der Stadt zu kaufen. Dafür unterhalte ich mich sehr mit dem Mitarbeiter im Handyladen. Er spricht ganz passabel (für die Verständigung) Deutsch und interessiert sich für meine Reise.
Komoot ärgert mich mit einer asphaltierten Nebenstraße mit übertrieben starken Steigungen, sie scheint etwas kürzer zu sein... Ich komme einen Berg hinunter auf die Straße, die ich dann weiter nach oben fahre. Das war sehr unnötig und kräfteraubend. Das Wetter ist supersonnig und warm. Ich schwitze viel. Auf dem Weg nach oben komme ich durch viele Zwetschgenplantagen. Ein Mann schenkt mir eine Hand voll. Zwetschgen sind so eine Art Nationalobst in Serbien mit vielen verschiedenen Züchtungen.
Oben angekommen im Nationalpark finde ich viele touristische Verkaufsstände. Doch nirgends Postkarten... Ich frage mich durch, werde zu einem Hotel geschickt (alter Sowjetbau aus den 80ern) , dort ist der Shop "kaputt", was auch immer das bedeutet. Man schickt mich über eine "Rocky Road" in den Wald. Dort soll es Postkarten geben... 🤨 Natürlich gibt es da keine. Vielleicht gab es da mal in der einen Hütte, bei der ich ankomme, Postkarten. Aber es ist alles verrammelt. Dafür treffe ich (beim Postkartensammeln im Wald) Vojslav, einen serbischen Elektrotechnikingenieur. Wir kommen ins Gespräch und ich entscheide mich, in einem Hotel für zwei Nächte hier zu bleiben, um zu wandern und mich noch einmal mit Vojslav zu treffen.
Von Vojslav erfahre ich viele interessante Dinge über Serbien. Unter anderem die Probleme der Eneegiewirtschaft, dass erst der Kohleabbau im eigenen Land verkommen ist, dann der Kohleimport über die Donau durch den niedrigen Wasserstand zum erliegen gekommen ist und nun der Strom teuer importiert werden muss. Aber wir sprechen auch übers Wandern, das Reisen und vieles andere. Eine sehr schöne Begegnung!
Das Tara Hotel ist sehr schön, sauber, der Hotelier ist sehr bemüht und findet einen guten Platz für mein Rad. Ich esse abends Fisch im Hotelrestaurant und telefoniere mit einem Teil meine Mittwochs-Jungs-Runde von zu Hause.
8.9. Do
Am nächsten Tag gehe ich wandern. Ich fahre ein Stück mit dem Rad, um die Strecke abzukürzen. Ich finde den Anfang des Weges nach 1h durch den Wald herumirren dann doch und wandere durch einen schönen Wald mit ein paar Stationen zur Leibesertüchtigung und eine krasse Seilbahn quer durch den Wald, leider (oder zu Mienen Glück) hängt nur noch das Seil 😉
Mir kommt ein Wanderer mit Hund entgegen. Als wir aneinander vorbei sind, bleibt der Hund und schlüssig stehen, blickt von mir zu dem anderen Wanderer und zurück, und entscheidet dass er bei mir vielleicht größere Chancen hat etwas zu essen zu bekommen. Und so habe ich einen Hund beim Wandern. Nach einer Weile versteht der Hund wo ich hin möchte, er scheint sich in diesem Wald sehr gut auszukennen, und er läuft vor. An dem Aussichtspunkt wartet er schon auf mich. Bevor ich mich auf den Aussichtspunkt einlassen kann, wundere ich mich über einen alten Mann, der da irgendwas auf dem Boden macht. Als ich näher komme steht er auf und ich erkenne, dass der Kleine Plastikschnipsel und anderen Müll gesammelt hat. Er ist sehr alt und scheint ein Mönch aus dem Kloster aus dem Tal zu sein nur zum Müll sammeln hier hochgelaufen zu sein. Trotz mangelnder gemeinsamer Sprache unterhalten wir uns ein wenig. Dann geht er weiter und winkt zum Abschied. Die Aussicht ist super und es fliegt sogar ein Steinadler vorbei. Ich erkenne ihn an seinem Ruf bin aber zu langsam um ein Foto zu machen. Ich mache es mir mit dem Hund auf der Bank gemütlich und ruhe mich aus. Ich biete dem Hund ein Stück Müsliriegel an, aber daran ist er nicht interessiert. Es kommen mehrere andere Leute und ich mache mich langsam auf. Der Hund entscheidet sich bei den anderen Leuten zu bleiben.
Der weitere Weg wird schlechter, teilweise ist der Weg durch Waldfahrzeuge umgepflügt. Als es immer wilder wird schaue ich auf die Karte, und merke dass ich tatsächlich vom Weg abgekommen bin. Als ich dann auch noch einen Fußabdruck eines Bären finde, bin ich froh als ich wieder auf dem normalen Weg bin. Ich steuere noch einen weiteren Aussichtspunkt an, dafür muss ich erstaunlich viel bergab gehen aber es ist ein schöner Felsen von dem man einen sehr netten Blick hat. Ich mache eine Essenspause und gestärkt geht es weiter wieder zurück zu dem Fahrrad. Ich komme ein schönes Bachtal entlang und auf dem Weg hoch zum Hotel durch trockene Wiesen mache ich Fotos von Schmetterlingen und Grashüpfern.
Nachmittag setze ich mich mit Vojslav zu einem Kaffee zusammen, wasche danach meine Wäsche und abends essen Vojslav und ich noch einmal zusammen. Das war insgesamt ein sehr schöner und erholsamer Ausgleich zum Radfahren, ich freue mich aber darauf, am nächsten Tag weiter zu fahren. Es wird dann schon nach Bosnien Herzegowina gehen und dort nach Višegrad, wovon mir alle bisher begeistert gesagt haben, wie toll es dort ist (Vojslav war etwas verhalten realistischer: genauso hässlich wie Bajina Bašta und nur ganz im Zentrum ein neu gebauter Teil auf alt gemacht - er sollte recht behalten, es hat mir aber trotzdem gefallen 😉)
9.9. Fr
Nach dem Frühstück, bei dem wie überall beim Essen Hunde und Katzen zugegen sind, packe ich, verabschiede mich von Vojslav, kaufe ein und fahre runter ins Tal Richtung Kremna. Ich merke, dass mein Englisch immer besser wird und kann mich entspannt unterhalten. Das freut mich.
Ich komme erstaunlich schnell an der Grenze zu Bosnien Herzegowina an. In einem kleinen Laden kurz vor dem kaufe Grenzposten will ich noch einmal einkaufen. Ein alter Mann mit kaum Zähnen in dem Mund gibt mir zu verstehen, dass gleich jemand kommt (es ist immer wieder erstaunlich, wie gut man auch ohne Sprache kommunizieren kann). Im Laden lege ich all mein restliches Geld auf den Tisch und möchte alles ausgeben. Die Frau versteht nicht, was ich will und ruft erstmal jemanden zum übersetzen an. Das ist mir schon zum zweiten Mal passiert und stört mich, denn ich denke, das hätte man auch so irgendwie hinbekommen. Mit einer Handvoll Riegel und einem Saft mache ich mich auf zur Grenze. Auf der serbischen Seite geht es schnell. Bei der bosnischen Seite ist eine lange Schlange und es geht nur langsam voran. Ich warte artig hinter einem stinkenden Mercedes aus den späten 80ern (?).
Die Fahrt dann geht durch ein wunderschönes, enges Tal viel bergab. Überall sind Spuren vom Krieg, insbesondere Häuserruinen. Das Tal war wohl stark umkämpften Gebiet. In Višegrad schaue ich mir die hübsch gemachte Innenstadt an (sieht aus, wie eine römische Stadt), esse ein Eis, finde mit Mühe Postkarten (es gibt nur zwei Motive, wobei das eine in klein auch auf der anderen Karte abgebildet ist 🙃 und stoße auf eine Büste von Nicola Tesla. Ich finde (mit Wikipedia und im Gespräch mit Einheimischen) heraus, dass er überhaupt nichts mit der Stadt zu tun hat und lerne dabei viel über sein Leben. Er ist einfach nur zusammen mit anderen bosnischen Berühmtheiten hier um den Literaturnobelpreisträger Ivo Andrić aufgereiht, welcher hier aufgewachsen ist.
Übrigens ist das Kaufen der Briefmarken in der Post wieder sehr kompliziert (was soll ich denn großartig sonst wollen außer Briefmarken in der Post???) Ich bekomme 4 Briefmarken pro Postkarte (!) und muss die Postkarten noch extra in Briefumschläge packen, da ich sie schon geschrieben hatte und einfach nicht genug Platz ist... 🤪
Weiter geht es entlang der Trainer. Das Tal wird immer enger und ich muss durch sehr viele Tunnel fahren.
Der Lärm in den Tunnels ist ist krass und ich fühle mich sehr unwohl. Hört es euch einfach mal an: Audio im Tunnel. Audio 2 im Tunnel. Ich entscheide mich mit Kopfhörern und Musik zu fahren und dann geht es tatsächlich viel besser. Anstrengend ist es trotzdem. Als ich an einem Hotel vorbeikomme, entscheide ich mich dort zu bleiben. Das Zimmer ist sehr komfortabel und ich esse im Restaurant lecker Fisch.
Morgen werde ich entscheiden ob ich nach Sarajevo fahre oder direkt Richtung Montenegro in den Durmitor Nationalpark. Ciao, bis zum nächsten Beitrag. Ich kann verraten, es wird abenteuerlich 😬
Hier könnt ihr meine Strecken auf Komoot verfolgen:
Schau dir mal diese Collection bei komoot an – ich glaube, die könnte dir gefallen. "Draussenerfahren" https://www.komoot.de/collection/1622992/-draussenerfahren