Don Curry on Tour
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Don Curry nächtigt beim Maharaja

Veröffentlicht: 08.02.2017

Don Curry wohnt gern in historischen Gebäuden. Vielleicht liegt das daran, dass das Haus in dem er jetzt lebt, gewissermaßen sein Enkelkind sein könnte – altersmäßig gedacht. Häuser, die Geschichte erlebt haben und bis heute ausatmen, besitzen für ihn ein besonderes Flair. Ihre Räume sind in der Regel nicht nach praktischen Gesichtspunkten durchgestylt, wie bei modernen Kettenhotels, manches knarrt in ihnen, wirkt vielleicht etwas verblichen und altmodisch – aber sie besitzen Charakter, Charme, Persönlichkeit.

Das Hilton Hill Resort in Yercaud stellte von all dem das genaue Gegenteil dar: es war weder charaktervoll, noch durchgestylt, es konnte bestenfalls als Übernachtungsfabrik bezeichnet werden – und es war erstaunlich nervig. Da der heutige Tag nur wenige Programmpunkte und eine relativ geringe Fahrstrecke vorsah, hatte sich Don Curry erst für 10:00 Uhr mit Prince verabredet und entsprechend den Wecker ausgeschaltet. Endlich einmal ausschlafen! Gegen 7:30 Uhr klingelte das Telefon an seinem Bett: er wurde gefragt, ob er Tee oder Kaffee wolle. „Kaffee“, antwortete Don Curry schlaftrunken. 15 Minuten später klingelte es an der Tür. Ein junger Mann brachte ihm Kaffee. Na ja, wenigstens eine Serviceleistung des Hotels, dachte Don Curry noch freundlich, bis der junge Mann 25 Rupien verlangte: gut 0,35 €. Gegen 8:30 Uhr klingelte sein Telefon wieder: wann er denn zum Frühstück kommen wolle. Vielleicht, sagte Don Curry, vielleicht auch nicht. Dieses Ausschlafen hatte er sich deutlich entspannter vorgestellt. 9:45 Uhr checkte er aus, wobei der junge Kaffeeaufdränger entsetzt kundtat, er wäre doch noch gar nicht zum Frühstück gekommen…

Don Curry beschloss, die destruktive Leere, die das nichtvorhandene Hotelambiente in seinem ästhetischen Empfinden hinterlassen hatte, durch einige Landschaftseindrücke rund um Yercaud auszugleichen, mehr war hier auch nicht möglich. Zuerst steuerte Prince den Pagoda Point an, der weite Ausblicke in die Umgebung ermöglicht. 

Am Pagoda Point


Ganz ähnlich wie das nächste Ziel: Suicide Point – wenn man sich schon von einer Klippe stürzen wollte, dann sollten die letzten Sekunden wenigsten mit herrlichen Landschaftseindrücken gefüllt sein. Don Curry beschränkte sich aufs Schauen, nicht aufs Stürzen, er wollte schließlich noch zum Botanischen Garten. 

Indischer Humor am Suicide Point


Dieses Ziel erwies sich als tückisch. Google Maps gab zwar wie immer eine klare Wegbeschreibung; doch am Endpunkt war absolut kein Botanischer Garten. Die Einheimischen, die Prince fragte, kannten zwar alle den Botanischen Garten, zeigten aber in völlig verschiedene Richtungen. So entschloss sich Don Curry zunächst ein anderes Ziel anzusteuern, den Shevaroy-Tempel auf dem höchsten Berg der Shevaroy Hills um Yercaud. Den Tempel bildete eigentlich eine dunkle enge Höhle mit einem angebauten Vorraum. Nur in gebückter Haltung konnte sich Don Curry dort hineinbewegen. Da der Hindupriester gerade Zeit hatte, lud er ihn in das Allerheiligste ein, erbat eine Spende und versah Don Curry mit einem orangenen Segenspunkt.

Im Botanischen Garten


Nach einem kurzen, ausschweifenden Blick vom Aussichtspunkt in der Nähe des Tempels, begann das Projekt „Botanischer Garten“ erneut. Zunächst schien es sicher, dass Don Curry und Prince in den Ort Yercaud zurückkehren müssten. Doch kaum erreichten sie die Straße Richtung Yercaud, erschien linker Seite das unscheinbare Eingangstor zum Botanischen Garten. Welcher Tourist würde ihn je finden? Dabei ist er mit über 25.000 Orchideen einer der bedeutendsten Indiens. Die Orchideen fand Don Curry tatsächlich, davon blühten allerdings nur drei. Anfang Februar ist wohl selbst in Indien nicht die beste Zeit für Botanische Gärten.

Und es gab sie doch...


Etwas enttäuscht kehrte Don Curry zum Auto zurück, nur um eine viel größere Enttäuschung zu erleben. Prince teilt ihm mit, dass es für die geplante Zugfahrt morgen früh keine Tickets mehr gäbe. Vor drei Monaten hatte Don Curry diesen Programmpunkt mit exakter Abfahrtszeit in Mettupalayam seinem indischen Reisebüro mitgeteilt, vor einer Woche Prince noch einmal daran erinnert, der sofort in der Zentrale nachgefragt hatte. Nun also dieses Ergebnis! Don Currys Verärgerung konnte Prince so deutlich erkennen, dass er noch einmal in Cochin und dann in Delhi bei Mr. Benny anrief und die Verstimmung des Kunden wohl lebhaft schilderte. 30 Minuten später hatte Mr. Benny für den Vormittagszug noch ein Ticket besorgt, allerdings in der umgekehrten Richtung: von Ooty nach Mettupalayam. So mussten die Pläne für heute und morgen abrupt geändert werden. Denn plötzlich war eine Übernachtung in Ooty notwendig, nicht mehr in Mettupalayam – und der Weg nach Ooty dauerte mindestens zwei Stunden länger. Dementsprechend musste Prince nun durchstarten, und aus dem gemütlichen Ausruhtag zwischendurch wurde doch noch ein heftiger Fahrtag: Serpentinenmassen abwärts von Yercaud und drei Stunden später Serpentinenmassen aufwärts nach Ooty, das in über 2200 m Höhe liegt.

Don Curry hatte sich eine ganz besondere Unterkunft für dieses britische Hill Resort ausgesucht, in dem zur Zeit des Empires in den Sommermonaten die gesamte High Society Südindiens zusammenkam: den ehemaligen Sommerpalast der Maharajas von Mysore, ein über 150 Jahre altes Gebäude mit äußerlich dezent-gediegener Prachtentfaltung, innen aber ungebremst die Bedeutung seiner ehemaligen Besitzer zum Ausdruck bringend. Dabei entstand aber nicht der Eindruck kalten Protzens, sondern eher der einer familiären, hochherrschaftlichen Zweitunterkunft – ein 120 m langes Sommerhäuschen im Grünen gewissermaßen. 

Das Sommerhäuschen des Maharajas


Don Curry wählte aus den sehr individuell eingerichteten Räumlichkeiten eine preislich noch einigermaßen akzeptable Junior Suite und konnte nun für eine Nacht in einem vier Meter hohen, kräftig grün gestrichenen und mit großen goldenen Wappen versehenen Gemach residieren. Gleich zwei Zimmermädchen bereiteten den Raum für ihn vor, schlugen das Bett auf, legten extra eine dicke Bettdecke bereit und stellten den kleinen Heizlüfter an, denn da Familie Maharaja nur im Sommer zu Besuch weilte, hatte niemand an eine Heizung gedacht. 

Es grüßt der Hausherr


Ziemlich schnell stellte Don Curry fest, dass er der einzige Gast im Palast war. Er musste ihn nur mit dem üppigen Personalbestand teilen. Schon klingelte es an seiner Tür, und ein Bediensteter erfragte höflichst, was der Herr denn zum Dinner zu trinken gedenke. Alkoholische Getränke müsse er erst noch in der Stadt erwerben. Don Curry orderte ein Bier und eine kleine Flasche Rum und legte fest, dass er gegen 20:00 Uhr zu speisen wünsche. Der Alkoholdiener bedankte sich, um seiner Aufgabe gewissenhaft nachzukommen.

Suite in Grün


Don Curry gedachte derweil, das Anwesen zu erkunden. In den Fluren hingen unzählige Fotos von Familie Maharaja, die Don Curry fast den Eindruck vermittelten, privater Gast dieser geschichtsträchtigen Familie zu sein. Im Garten hinter dem Palast träumten fein verteilte geweißte Eisenstühle viktorianischer Art der nächsten Tea Party entgegen. Unter hohen Zedern sog Don Curry die zeitlose Magie eines Sonnenuntergangs über den Nilgiri-Bergen in sich auf. Die Gegenwart verblasste zusehends, die Bestimmung des hiesigen Jahrhunderts entbehrte jeglicher Bedeutung. Don Curry war, ist, wird sein – warum?

Wo Eisenstühle träumen...


Mit angemessener Verspätung traf Don Curry schließlich im Speisesaal ein, dem ehemaligen Ballsaal des Palastes: ein gewaltiger, nahezu 10 m hoher Raum mit so dezentem Prunk, dass niemand nach einem Preisschild zu fragen gewagt hätte. Über den beiden Portalen zum Saal prangen zwei mächtige Emporen, eine für die weiblichen Mitglieder der Maharaja-Familie, die andere für das königliche Hoforchester. Zu seinem großen Bedauern blieben beide Emporen leer, auch die rund 120 anderen Stühle an den übrigen 29 Tischen entbehrten jeder Nutzung. Einzig Don Curry hauchte dem Schauplatz ehemals rauschender Feste neues Leben ein – allerdings nur als Dinierer. 

Der Speisesaal


Auch die Dienerschaft ließ die angemessene Zeit verstreichen, in der der Gast sorgfältig einen ihm genehmen Platz auszuwählen gedachte, um dann in abgestimmter Dramaturgie ihre Aufwartung zu machen: zuerst der Oberkellner mit der Speisekarte, dann der Wasserbringer, dann der Alkoholdiener mit dem avisierten Gerstensaft, dann wieder der Oberkellner, um die Bestellung aufzunehmen, die er gewissenhaft zweimal wiederholte, um keinesfalls einen möglichen Wunsch des Gastes überhört zu haben. Don Curry hatte aus der umfangreichen Speisekarte eine Mulligatawny-Suppe und ein Lamm-Curry (boneless) mit – laut Speisekarte Rissi Bissi – vermutlich Risi bisi bestellt. Devot bedankte sich der Oberkellner für den Genuss, diese Bestellung aufnehmen zu dürfen und versicherte eine baldige Erfüllung der kulinarischen Wünsche. 

Alles bereit ... für einen Gast


Ein weiterer Diener, möglicherweise auch der Wasserbringer, servierte bald die dampfende Suppe, während der Brotdiener zwei winzige Brötchen auf einem Extrateller darbrachte. Don Curry mundete dieses typische Ergebnis britisch-indischer Koexistenz ausgesprochen gut, wobei echte Briten nach dieser dominanten Würzigkeit vermutlich drei Tage nur noch Porridge konsumiert hätten, um ihre Geschmacksnerven wiederbeleben zu können. Das Boneless Mutton Curry bewies ebenfalls die exquisiten Würzfähigkeiten des Kochs, bestand aber ausschließlich aus Lammknochen mit etwas Fleisch daran. Erbleichend nahm der Oberkellner wahr, dass der Gast nur wenig am Fleisch geknabbert hatte. Don Curry versicherte zwar, dass die Curry-Soße und das Risi bisi ein exzellenter Genuss gewesen seien, doch diese Schmach konnte der Servicemeister nicht auf sich sitzen lassen. Er entbot Don Curry ein kostenloses Dessert, und als der Gast noch einen Kaffee dazu bestellte, erwies auch dieser sich als unbezahlbar - er war auch keiner Bezahlung würdig.

Sonnenuntergang in den Nilgiris


Dennoch restlos zufrieden kehrte Don Curry in sein grünes Gemach zurück. Sein Smartphone hatte inzwischen per Email das Bahnticket erhalten: der von Mr. Benny angekündigte garantiert am frühen Vormittag nach Mettupalayam fahrende Zug fuhr exakt um 14:00 Uhr. Abermals musste Don Curry das Tagesprogramm umwerfen. Und er gedachte einer längst verwehten Epoche, in der Zeit und Geld für Maharajas & Co. absolut gar keine Rolle spielten...

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