der Reizeblob
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23.03.23

Veröffentlicht: 15.04.2023

Morgens nehmen Porter und ich das Colectivo mit 0% Beinfreiheit nach Viña del Mar, direkt neben Valparaiso gelegen. Die Colectivos sind allesamt liebevoll dekoriert, eine Mischung aus Stripclub mit rosa-metallic folierten Metallstangen und viel Plüsch, dem ein oder anderen Wandtattoo leicht bekleideter Frauen und Jesus-Verehrung, meist durch Abbildung desselben. Außerdem läuft stets Reggaeton auf voller Lautstärke.

In Viña angekommen ist es nebelig und trist. Seelenlose Hochhäuser reihen sich aneinander. Der einstige Fluss ist auf ein schmales Rinnsal geschrumpft, wahrscheinlich der hungrigen Avocado- und Blaubeerindustrie sei Dank (Chile ist das einzige Land der Erde, in dem die Wasserreserven vollständig privatisiert sind). Der Rest des Flussbetts ist zum staubigen Parkplatz umfunktioniert.

Die laut Google-Bewertungen besten Empanadas der Stadt bei Mr. Empanada erweisen sich als Enttäuschung. Während wir Kaffee an der großangelegten Strandpromenade trinken, zeigt sich endlich die Sonne und der Nebel verzieht sich.

Das Wahrzeichen der Stadt, die Reloj de Flores (Blumenuhr), angelegt zwecks WM in den Sechzigern, ist unspektakulär. Von dort aus quetschen wir uns wieder ins Colectivo, das uns zu den Dünen von Concon bringt. Praktischerweise ist direkt gegenüber ein Lider (chilenischer Walmart), bei dem wir uns mit Patagonia-Dosenbier eindecken, bevor wir die Düne hochkraxeln. Oben angekommen eröffnet sich ein Ausblick über den Pazifik und die zahlreichen Hochhäuser, die die Riesendüne einrahmen. Es lassen sich Delfine und Pelikane aus der Ferne beobachten. Ich gebe Porter eine Kameraeinführung und wir leihen uns Sandboards, um die Düne runterzusliden. Der fast staubartige Sand ist überall.

Das Colectivo zurück nach Valparaiso ist hoffnungslos überfüllt; wir steigen in ein anderes um. Gute Entscheidung. Der Fahrer sieht aus, als sei er frisch aus den späten Siebzigern entsprungen: Vokuhila, Aviator-Sonnenbrille, Goldkette, Kurzarmhemd mit viel Raum für voluminöses Brusthaar und Pornoschnauzer. Das Fahrzeug ist angenehm leer, die offenen Fenster lassen die Meeresbrise rein und wir fliegen zu sphärischer Rockmusik mit viel Schlagzeug über den Asphalt der Küstenstraße. Die Stoßdämpfer scheinen wohl nagelneu zu sein.

Im Hostel angekommen schnattern sich zwei soloreisende alte Damen aus Deutschland und Spanien lautstark in stark akzentuiertem Englisch an.

Im chilenischen Walmart suche ich Ewigkeiten nach Zahnpasta, bis ich herausfinde, dass es ein zweites Stockwerk gibt. Währenddessen scheitert Porters Abreiseversuch; sein Colectivo zum Busbahnhof ist dermaßen überfüllt, dass er es nicht schafft auszusteigen und daher bis zur Endhaltestelle irgendwo weit außerhalb durchfährt. Dumm gelaufen. So bleibt auch er eine weitere Nacht.

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