Lip & Bürsti - Balkan Roadtrip
Lip & Bürsti - Balkan Roadtrip
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Be Part of the Family

Veröffentlicht: 06.07.2023

04.07.23

Vor dem Aufstehen genieße ich noch einmal jede Sekunde in diesem wunderbaren Bett. Ich möchte hier eigentlich nicht mehr weg. Ich möchte noch eine Nacht dran hängen. Mindestens eine... Eigentlich möchte ich hier Urlaub machen und mich zwei Wochen lang über saubere, funktionierende und dazu noch schön aussehende Sanitäre Anlagen freuen, die ich darüber hinaus mit niemanden teilen muss, da sie sich in meinen Zimmer befinden.

Natürlich lässt auch das Frühstück keine Wünsche offen. Das erste Mal, dass es auch etwas Obst gibt. Zumindest einen Apfel für jeden. Wir freuen uns sehr über diesen Apfel. Hatten wir uns doch seit Tagen frisches Obst gewünscht. Also Jochri, Cornelia und ich.

Das Gästehaus Kacaku war da, als wir nicht damit gerechnet und es am meisten gebraucht hatten. Es wird uns stets in Erinnerung bleiben. Ich träume seit dem jede Nacht von dem selbstgemachten Käsepolenta, serviert in einer hübschen Keramikschüssel. 

Für die heutige Etappe gibt es verschiedene Varianten. Cornelia entscheidet sich für eine andere Variante als Jochri und ich. Wir, die Pacemaker wie wir uns mittlerweile nennen, wollen heute erneut 1,5 Etappen marschieren, um am Abend den kleinen Ort Bambino Polje zu erreichen. Das würde bedeuten, dass wir den PoB dann in 9 statt 10 Tagen beenden können. Von Bambino Polje aus sind es dann nur noch 3 Etappen.

Gedacht, getan. Wir ziehen durch bis in den besagten Ort, der eigentlich nur aus 2-3 Häusern besteht.

Der Weg war wieder einmal sehr abwechslungsreich und wir verlassen bereits auch wieder das schöne Kosovo, welches uns doch gerade erst anfing uns so richtig zu gefallen. Wir gehen also als es am schönsten ist und behalten diesen Teil des Trails in bester Erinnerung. Vor allem den guten Asphalt, auf dem wir so gerne gelaufen sind. Viele andere Wanderer überspringen diesen Teil sogar. Eine Schande, wenn man mich fragt.

Doch am heutigen Tag, soll nicht nur der Kosovo einen bleibenden Eindruck bei uns hinterlassen.

Angekommen, an dem Punkt, den Google Maps, als "Ortsmitte" anzeigt, halten wir ausschau nach einem Gästehaus. Kurz darauf wird uns allerdings schon klar, dass die Auswahl hier sehr begrenzt ist. Um genau zu sein, stehen zwei Häuser zur Auswahl. Beide wirken sehr ländlich und rustikal. Es gibt außerdem ein paar Ställe, Kühe laufen frei herum und einander Bach plätschert ganz natürlich unter einer kleinen hölzernen Brücke hindurch, die gleichzeitig auch der Eingang zu einem der beiden Häuser ist. Diesen nette Häuschen sah für uns noch am ehesten nach einem Gästehaus aus und so sollte es unsere erste Anlaufstelle werden.

Unser Eintreffen blieb hier natürlich nicht unbemerkt und so kam auch schon der Nachbarsjunge herüber gerannt. Seine Mutter folgte ihm, während dann auch gleichzeitig eine ältere Frau und ein kleiner Junge aus dem Haus kamen, welches wir angesteuert hatten. Eine lustige Szene, wie wir da dann alle standen und versuchten mit ein paar Wörtern Englisch, Händen und Füßen uns zu verständigen. Mutter und Sohn waren sich zwar selbst nicht einig, ob es sich bei ihrem Nachbarshaus um ein "Gästehaus" handle, dennoch bot man uns freundlicher Weise an hier zu übernachten. Die ältere Frau nahm uns direkt mit hinein in die gute Stube und zeigte uns die Räumlichkeiten, was sich in dem Fall auf das Wohnzimmer und ein Schlafraum im Oberschoss beschränkte. Plus Küche und Bad. Im TV lief eine Kidersendung und es roch nach frisch gekochten Essen. Wir waren uns einig: Paprika. Geschätzte Raumtemperatur ca 28 Grad. Die Räume waren mit großen Teppichen ausgelegt. Darunter Beton. Es waren so viele Teppiche und ältere Sofas, dass ich eine Nacht, aufgrund meiner Hausstauballergie, wahrscheinlich nicht überlebt hätte. Jetzt musste ich der älteren Frau nur noch irgendwie verständlich machen, dass ich draußen unter dem Pavillon übernachten würde.

Der Nachbarsjunge freute sich auf jeden Fall richtig über unseren Besuch und war beim Fußballspielen kaum zu bremsen. Christoph und ich schlüpften trotz der müden Beine in die Rolle des Christianon Ronaldos. Belmin, der junge Fußballer war kaum zu bremsen und sprach mit uns, als ob wir eigentlich jedes Wort verstehen müssten. Er zeigte uns auch sein Haus und die Hundewelpen. Währenddessen sollten wir dann plötzlich dabei helfen, eine Kuh bzw einen Bullen in seinen Stall zu treiben. Wir waren mitten im Geschehen und dabei uns schnellst möglich in das Hof - und Familienleben zu integrieren. Christoph gab nochmal alles und zeigte vollen Einsatz. Mit Erfolg. Der Bulle war im Stall. So weit so gut. Doch es blieb wild und aufregend. Die Oma hatte unterdessen ihre Tochter angerufen, die mit uns per Telefon auf Englisch kommunizieren sollte, was sowohl durch die Sprachbarriere, aber auch aufgrund von Empfangsschwierigkeiten nicht ganz so hilfreich war.

Kurz darauf kam dann aber auch die Tochter mit ihren Mann und ein paar Einkäufen. Unser Abendessen schien gerettet zu sein. Wow, was man hier unter Gastfreundschaft versteht. Die Tochter machte erstmal ein Foto mit uns und zeigte uns ihr Instagram Profil. Es gibt eben viele Möglichkeiten zu kommunizieren. Herzlich war es allemal. Ich glaube wir waren alle auch ein wenig überfordert und dennoch war es schön.

Die Tochter begann zu kochen und wir waren weiterhin draußen, wo noch immer irgendwas aufregendes geschah. Der ganz kleine Junge, sorgte sowieso auch permanent für Action. Entweder es flog irgendwas durch die Gegend oder er kam angerannt, um einen ins Bein zu kneifen. Der andere Junge Belmin hatte noch immer jede Menge Energie um uns zum Fußball spielen zu animieren.

Das Essen war schon so gut wie auf dem Tisch, als Belmin plötzlich angeschossen kam, um uns mit wilder Gestik mitzuteilen, dass wir mit zum Stall kommen sollen. Auch das Taten wir. Was auch immer es war, wir waren mittlerweile angekommen und bereit dazu.

Eine Kuh brachte gerade ihr Kalb zur Welt. Alle waren im Stall. Belmin Mutter und die Oma mittendrin. Wo waren eigentlich die Männer? Wir wissen es nicht. Ist aber auch egal, denn selbstverständlich rockten die Frauen das ganze und nach diesem erneuten Aufreger konnten wir dann essen. Man hatte uns jede Menge aufgetischt. Nachgeschöpft wurde auch trotz unserer Einwände und zwar bei jedem. "No Problems" betonte die Tochter immer wieder. Das mit dem vegetarischen und veganen hatte man im Rahmen der Möglichkeiten auch halbwegs berücksichtigt.

Jetzt waren dann auch alle anderen in der Stube und vor allem der kleine Junge sorgte weiterhin für Unterhaltung, zum Beispiel, als er seine Windel auszog und einen klassischen Flitzer quer durchs Wohnzimmer hinlegte, um danach dann mit Ketchup die Eingangstreppe zu dekorieren. Unser Highlight: Der kleine hatte gesehen, wie ich dabei war, mir einen Saft einzuschneken und zögerte damn keine Sekunde, das Glas zu nehmen als es voll war, es auf einen Zug leer zu trinken und dann einen herzhaften Rülpaer heraus zu drücken. Es war einfach toll hier als Gast so aufgenommen zu werden. Nachdem Abendesen gabs dann auch noch Kaffe und frischen Kuchen. Der war sehr fein. Die Oma zündete sich sichtlich geschafft, erstmal eine Zigarette an. Selbstverständlich bot man uns auch eine an. In dieser Situation, so skurril sie auch war, ließ ich mir diesen Genuss nicht entgehen, obwohl es wirklich etwas komisch war in der Stube, bei Anwesenheit der Kinder zu rauchen. Aber ich kann mich da gut anpassen. Wir saßen noch eine Weile auf dem Sofa und alle wirkten ziemlich Ko aber zufrieden. Belmin zeigte ich noch einige Fotos meiner Reise. So konnten wir uns auch ohne viele Worte gut unterhalten.

Vor lauter Aufregung hatte wir schon ganz vergessen, den ganzen Tag über gewandert zu sein. 

Ich schlief draußen unter dem Pavillion. Eine angenehme Nacht im Freien. 

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